Politik
Welche Rolle spielte der BND beim Massaker am Kundus?
13.02.10 - Es ist wie bei den deutschen Waffenexporten: zuerst wurden die nach dem II. Weltkrieg noch vorhandenen gesetzlichen Beschränkungen schrittweise in der Praxis ausgehöhlt, anschließend wurde diese Praxis in einem Untersuchungsausschuss des Bundestags weniger untersucht als gerechtfertigt und dann die Gesetze angepasst und die Beschränkungen aufgehoben.
Bis vor kurzem hatte die deutsche Regierung mit unbeschreiblicher Heuchelei den Kriegseinsatz der Bundeswehr gegen das afghanische Volk als "Stabilisierungsoperation zur Friedenssicherung" bezeichnet. Während der derzeitigen Untersuchung des Massakers von Kundus im September 2009 kam es nun offiziell zur sogenannten "Neubewertung" durch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Demnach findet der Bundeswehreinsatz jetzt in einem "nicht internationalen bewaffneten Konflikt" statt, was wiederum eine Umschreibung für Bürgerkrieg ist.
Seit dem Regierungswechsel hat zu Guttenberg auf diese neue Begrifflichkeit hingearbeitet. Damit erhalten die Militärs offiziell Spielraum für die Tötung von Zivilisten, "sofern dies in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil stehe". Der Trick besteht darin, dass Bundeswehroperationen in Afghanistan nunmehr nach dem Völkerstrafrecht und nicht mehr nach deutschem Straf- und Polizeirecht zu bewerten seien, das die Tötung Unbeteiligter (noch) verbietet.
Die Lebenslüge von der angeblichen Aufbauhilfe wird so weiter ausgehöhlt. Am Donnerstag lehnte der Hauptpersonalrat der Bundespolizei die weitere Entsendung von Polizei-Ausbildern nach Afghanistan ab mit der Begründung, in einem Kriegsgebiet habe die Polizei nichts zu suchen.
Nach der Befragung des Bundeswehr-Oberst Georg Klein durch den Kundus-Untersuchungsausschuss am Mittwoch gibt es offenbar eine Reihe unangenehmer offener Fragen. Oberst Klein hatte die Operation am 4. September von einem Gefechtsstand der "Task Force47" geleitet, wegen der dort vorhandenen "besseren Kommunikationsmöglichkeiten". Nach offiziellen Angaben starben bei der Bombardierung 142 Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten, u. a. auch 26 Kinder. Die "Task Force47" ist eine in Kundus operierende Sondereinheit, die zur Hälfte aus Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) besteht und den Auftrag hat, Aufstandsführer aufzuspüren.
Offenbar befanden sich bei den entführten Tanklastern vier Taliban-Führer, die seit langem auf der Fahndungsliste der Task Force standen. Der Verdacht, dass Angehörige der Task Force Klein deswegen zu dem Bombardierungsbefehl gedrängt haben, konnte nicht ausgeräumt werden. Zumal sich nach Aussage von Klein in dem Gefechtsstand eine Reihe von Personen befunden haben, die er gar nicht gekannt habe. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung waren darunter zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes. Diese wiederum hatten behauptet, sie hätten erst am nächsten Morgen von der Bombardierung erfahren.
Die guten Kommunikationsmöglichkeiten auf dem Gefechtsstand konnte Oberst Klein offenbar wenig nutzen. So hat er angeblich nichts davon mitbekommen, dass die beiden US-Piloten, die die Bomben abwarfen, insgesamt fünfmal abschreckende Tiefflüge vorgeschlagen haben, um die Leute an den Tanklastern zu warnen. Auch die telefonische Kommunikation zwischen einem afghanischen Späher und Mitgliedern der Task Force hat er nicht mitgekriegt. Die Taskforce soll sogar von der Straßensperren, an der die Taliban die Tanklaster entführten, gewusst haben. Zudem sei bekannt gewesen, dass die Tanklaster in der Nacht zum 4. September von Kundus-Stadt weggebracht werden sollten - die angebliche Gefahr für das deutsche Camp also gar nicht bestanden habe.
Fragen über Fragen. Es spricht alles dafür, dass die Bundesregierung über den BND und die Task Force unmittelbar an dem Massaker an den afghanischen Zivilisten beteiligt war. Lückenlose Aufklärung und sofortiger und bedingungsloser Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan!