Politik
Köln - ein Jahr nach der U-Bahn-Katastrophe
Köln (Korrespondenz), 04.03.10: Gestern war es ein Jahr her, dass das Stadtarchiv in Köln einstürzte. In diesem Jahr hat sich die Stimmung unter der Bevölkerung der Stadt deutlich verändert. Das Vertrauen in die bürgerlichen Kommunalpolitiker ist dahin. Auf der Bürgerversammlung am vergangenen Mittwoch hatte ein Montagsdemonstrant den Antrag eingebracht: Schweigeminute für die zwei Todesopfer! Der ganze Saal erhob sich, die Verantwortlichen von Bilfinger Berger, der Stadtdirektor, die Verwaltungsvertreter – sie alle mussten nachziehen. Damit war geklärt – hier geht es nicht um Schlampereien – hier geht es um Menschenleben, die für Profit geopfert werden.
Der Kölner Musiker und Sänger Tommy Engel bringt die Stimmung in der Stadt in einem Song auf den Punkt, der kostenlos im Internet (www.ksta.de) zum Download bereitsteht. Er fordert zu Spenden auf, um an der Einsturzstelle ein Denkmal für die Opfer einzurichten – eine Idee, die der Stadt bisher nicht kam. (Die Montagsdemo forderte schon lange, die beiden Bauarbeiter, die mutig die Anwohner aus den Häusern getrieben und damit ihr Leben gerettet hatten, zu Ehrenbürgern zu erklären – bisher ohne Reaktion!)
Der Oberbürgermeister reagierte gestern auf diese Stimmung und forderte den Rücktritt des ehemaligen CDU-Vorsitzenden in Köln und jetzigen Aufsichtsrats der Verkehrsbetriebe KVB. Die KVB reagierten ebenfalls, und führten eine Gedenkminute durch - alle Busse und Bahnen standen still.
Die Kölner Erfahrungen werden mittlerweile auch von der Volksbewegung in ganz Deutschland verarbeitet. Die Bewegung gegen "Stuttgart 21" wertete die Kölner Erfahrungen aus und zog unter anderem daraus Entschlossenheit, diesem völlig unsinnigen Projekt, das nur die Bauindustrie bedient, die Stirn zu bieten. In Köln hat innerhalb von nur wenigen Wochen eine Initiative für ein Volksbegehren gegen den Abriss und Neubau des Schauspielhauses in nur drei Wochen 32.000 Unterschriften gesammelt.