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Wie Bundespräsident Köhler die "Gefahr sozialer und politischer Unruhen" bändigen will
22.03.10 - Nachdem es in den letzten Monaten relativ still um Horst Köhler geworden war, hat er sich nun im "Focus"-Interview wieder zu Wort gemeldet. Darin bemüht er sich, scheinbar die wachsende Kritik an der "schwarz-gelben" Regierung aufzugreifen, indem er ihre bisherige Bilanz als "enttäuschend" bezeichnet und "tatkräftiges Regieren" von ihr fordert. Damit versucht er, die Kritik an der Regierung in die Bahn der Notwendigkeit verschärfter Angriffe zu lenken, die er allerdings selbst gleich wieder relativiert. Während er "derzeit keinen Spielraum für massive Steuersenkungen" zu Gunsten der breiten Massen sieht, preist er die "steuerliche Begünstigung von Forschung und Innovation in den Unternehmen".
Die zu erwartende Kritik an der erneuten Umverteilung zu Gunsten der internationalen Monopole vor Augen, will er angeblich auch die Finanzinstitute an den Kosten der Krise beteiligen und dazu um "eine internationale Abgabe auf Finanztransaktionen kämpfen". Ähnliche Forderungen von ihm zu Beginn der Weltwirtschaftskrise sind allerdings bis heute ohne jede Konsequenz geblieben und waren schon damals vor allem zur Besänftigung der aufbrandenden Kapitalismus-Kritik gedacht.
Köhler kritisiert wie seine Stichwortgeber aus den Unternehmerverbänden, dass zu viel Geld für "staatliche Sozialleistungen" ausgegeben werde, nimmt scheinheilig aber auch die Hartz-IV-Bezieher in Schutz: "Es gibt Missbrauch bei Hartz IV, keine Frage. Aber ich sage auch: Dann setzt diesen Missbrauch in Relation zum Missbrauch ganz oben in der Gesellschaft. Dort wurde in der Finanzkrise sehr viel Schaden angerichtet." Der Grund dafür, dass der Bundespräsident genauso wie die Regierung herumeiert, ist seine Angst vor der "größten Gefahr, dass Chaos ausbricht, ... dass es zu sozialen und politischen Unruhen kommt". Dies befürchtet er vor allem für den Fall, dass ein Staat in die Zahlungsunfähigkeit gerate, wie es in Griechenland droht.
Deshalb fordert Köhler einen "langfristigen Prozess" zum Herabfahren der Neuverschuldung, der "vielleicht zwanzig Jahre" dauert. Das liegt ganz auf der Linie dessen, was auch die Bundesregierung auf ihrem Krisentreffen am Sonntag Abend ausgeheckt hat. So will sie vor der brisanten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen möglichst "Projekte" auf den Weg bringen, die sie selbst wenig kosten, bei den Bürgern aber "gut ankommen".
Wohin die Reise mittel- und längerfristig gehen soll, wird daran deutlich, dass Horst Köhler unter anderem auch Steuererhöhungen "nicht ausschließen" will. Eine höhere Mineralölsteuer käme für ihn dazu in Frage, natürlich ganz im Interesse der Umwelt und mit "sozialem Ausgleich" für "Menschen, die wenig Geld haben". Doch der "grüne" Anstrich solcher Umverteilungspläne zu Gunsten der internationalen Monopole und zu Lasten der breiten Massen ist keine neue Erfindung des Bundespräsidenten und beginnt sich bereits abzunützen.
Ob "grüne", "gelbe" oder "schwarze" Verpackung, eine offene Steuererhöhung wäre der Bruch einer weiteren zentralen Wahlkampflüge der Regierung und würde auf breiten Unmut stoßen. Horst Köhlers erneute Demonstration der Zwickmühle, in der die Herrschenden stecken, wird sicher ein Thema auf den heute bundesweit stattfindenen Montagsdemonstrationen sein.