Betrieb und Gewerkschaft

Intensive Diskussionen unter den Opel-Belegschaften

08.06.10 - Gestern fanden zwei bedeutende Auseinandersetzungen unter den Opel-Belegschaften in den Werken Rüsselsheim und Bochum statt. Es ging darum, welchen Weg sie im Kampf gegen die Erpressung von General Motors (GM) um jeden Arbeitsplatz einschlagen sollen. Aus Rüsselsheim berichtet unser Korrespondent unter anderem:

"Vor der Börse in Frankfurt kamen dann um 14.00 Uhr ca. 2.000 Kollegen zusammen. Darunter eine große Delegation aus Kaiserslautern mit einem Transparent 'Wir zahlen Eure Zeche nicht!', 50 vom Testfeld in Dudenhofen, eine Delegation aus Eisenach. Azubis hatten ein Transparent 'our future, our right, our fight!' Trotz der üblichen Trommeluntermalung und vereinzeltem größerem Applaus wollte keine wirklich kämpferische Stimmung aufkommen.

IG-Metall-Chef Berthold Huber: 'Wir stehen hier vor dem Hauptquartier des Finanzkapitalismus, der in der von ihm verursachten Krise gescheitert ist und damit Länder, Gesellschaften und Menschen an den Abgrund geführt hat!' Er griff die Regierung, vor allem FDP-Wirtschaftsminister Brüderle, an und versicherte den Kollegen, dass er und die IG Metall alles daran setzen und kämpfen werden - für die Staatsbürgschaft. Betriebsrats-Chef Klaus Franz lobte die Belegschaft, 'die bis zum Jahr 2014 insgesamt 1,35 Milliarden Euro aufbringen würde. Sie würden auch harte Einschnitte in Kauf nehmen.'

Zurecht haben immer mehr Kollegen Zweifel, dass ihr abgepresster Verzicht ihre Arbeitsplätze auch nur einen Deut sicherer macht. Geradezu absurd war sein Versprechen an demselben Tag, an dem die Regierung ihren 80-Milliarden-Horrorkatalog vorstellte, er wisse die Ministerpräsidenten mit Opel-Standorten und die Bundeskanzlerin an der Seite der Opel-Kollegen.  Merkel solle ihren Einfluss geltend machen für eine Bürgschaft in die Zukunft der Menschen."

Aus Bochum erhielten wir vom selben Tag ebenfalls eine Korrespondenz, die von einer außerordentlich lebhaften und hochinteressanten Auseinandersetzung auf einer Belegschaftsversammlung am Montag Vormittag berichtete, auf der laut Medienberichten die Opelaner mit großer Mehrheit für den Sanierungsplan gestimmt hätten: "Tatsächlich gab es am Ende einer intensiven Diskussion auf der Versammlung mit knapp 2.100 Kolleginnen und Kollegen (ein Drittel der Belegschaft von insgesamt 6.000) eine Abstimmung per Handzeichen zur Frage 'Sollen Gewerkschaft und Betriebsrat das Verhandlungsergebnis ablehnen?' Darauf hin meldeten sich fast 200 Kollegen per Handzeichen.

Schon vor der Versammlung gab es auf dem Vorplatz intensive Diskussionen. Zahlreiche Flugblätter, darunter die Kollegenzeitung 'Der Blitz', der 'Linke Blinker' der DKP, Flyer einer SPD-Gruppe, der PSG usw. wurden verteilt, die 'Rote Fahne' verkauft. Kämpferische Betriebsräte verteilten ein Flugblatt und die Betriebsrats-Initiative 'Offensiv' rote Karten mit der Aufschrift 'Rote Karte für die Erpressung. Durch die Abstimmung mit dieser Karte protestiere ich gegen die Erpressung von GM und die undemokratische Art der Abstimmung'. Die Versammlung startete mit dem Bericht des Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel. Es folgten Ansprachen von Personaldirektor Kimmes und Werksleiter Gellrich. Dann meldeten sich nicht ganz zwanzig Kollegen an den Saalmikrofonen zu Wort.

Nachdem die beiden Vertreter der Geschäftsleitung zu den kritischen Fragen wenig überzeugend Stellung nahmen, musste die Geschäftsleitung den Saal verlassen. Es folgte eine Diskussion, in der es um den Kampf der beiden Richtungen ging. Zunächst sprachen vor allem kämpferische Kollegen und Betriebsräte. Ein Vertrauensmann kritisierte, 'es wird vom letzten Strohhalm gesprochen, aber der Strohhalm brennt'.

Der Tenor vieler Beiträge war, nicht der eigenen Kündigung zuzustimmen, auch wenn das kein leichter Weg sein wird. Dagegen traten einige Betriebsräte auf, die die Kritiken als 'Drücken vor der Verantwortung und Neinsagen ohne Alternativen' bezeichneten. Die Auseinandersetzung um den Weg des Kampfes der Opel-Belegschaft wurde grundsätzlich vertieft. In gewisser Weise war diese Versammlung ein Höhepunkt der letzten eineinhalb Jahre."

Diese Diskussionen, die derzeit in allen Belegschaften des Konzerns laufen,  sind eine wichtige Vorbereitung auf die bevorstehende Auseinandersetzung. Morgen soll der Lenkungsausschuss der Bundesregierung über eine staatliche Bürgschaft in Höhe von 1,1 Milliarden Euro entscheiden. Die Arbeiter können sich nicht vom Ja oder Nein zur Staatsbürgschaft abhängig machen. Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass sie mit dem Einsatz ihrer Kampfkraft das beste Mittel über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze selbst in der Hand haben.