Politik

"Geheimarmeen der NATO" - Veranstaltung zu einem brisanten Thema in Stuttgart

Stuttgart (Korrespondenz), 10.07.10: Mit einem Wortspiel, unsere Vorstellung über die NATO "ent-täuschen" zu wollen, leitete Daniele Ganser, schweizer Historiker und Friedensforscher seine Buchvorstellung, "NATO - Geheimarmeen in Europa" am letzten Mittwoch vor etwa 120 Besuchern im ABZ-Süd ein. Ein brisantes Thema. "Ich muss zugeben, dass es Leute gibt, die die NATO für ein friedenstiftendes Bündnis halten, ich gehöre nicht dazu", sagte Ganser sinngemäß zur Einleitung seiner Forschungsarbeit über die NATO von 1945 bis 1990.

Zu seinen Forschungsergebnissen gehört: Die NATO wurde 1949 gegründet, um - nach außen - eine weitere Ausbreitung der sozialistischen Sowjetunion bzw. des sozialistischen Lagers zu verhindern und nach innen - im westlichen Lager - eine Hinwendung der Massen nach Links zu unterminieren. Zu diesem Zweck wurden Geheimarmeen der NATO in mehreren europäischen Ländern aufgebaut, die zunächst vor allem die Aufgabe hatte, sich auf eine Partisanen-Tätigkeit nach einer befürchteten Invasion der Sowjetunion in West- und Mitteleuropa vorzubereiten.

Ganser legte dar, dass der Nachweis einer NATO-Geheimarmee zumindest im Fall Italiens möglich ist. Giulio Andreotti, ehemaliger korrupter italienischer Ministerpräsident, erwähnte 1990 "Gladio" - so hieß die NATO-Geheimarmee in Italien, erstmals öffentlich. Gladio hatte mehrere verheerende Bombenanschläge durchgeführt und teilweise den "Brigate rosse" in die Schuhe geschoben. Doch Ganser seziert die Attentate: "Attentate der brigate rosse waren meist gegen Repräsentanten der Justiz, des Kapitals oder der Politik gerichtet, die der geheimen NATO-Armeen gegen unbeteiligte Menschen, willkürlich, Leute in Banken, in Bahnhöfen usw." Das entsprach der "strategia della tenzione", der Strategie, die Massen für strengere Sicherheitsgesetze der Regierung zu gewinnen.

Ganser belegt, dass die NATO sich in den letzten 60 Jahren der veränderten Situation – mit dem gleichen Ziel, angepasst hat. Peter Borgwardt, Moderator des Abends, bediente sich ebenfalls des Wortspiels Ganser, als er in einem Schlussresumee meinte: "Ent- täuschen, heißt auch, sich nicht zu täuschen, mit wem man es zu tun hat!"

In der anschließenden Diskussion wurden verschiedene Einzelfragen behandelt. Ein Redner schlug vor, eine Protestresolution an die philippinische Regierung zu verabschieden gegen den "geheimen Krieg gegen das Volk". Sie wurde einstimmmig verabschiedet.

(Bericht über die Veranstaltung mit Daniele Ganser in Gelsenkirchen)

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