Umwelt

Vorgeschmack auf Regierungspläne - RWE lässt Schrottreaktor Biblis B weiter in Betrieb

04.08.10 - Das Uralt-Atomkraftwerk Biblis B, das aus Gründen "mangelnder Sicherheit" offiziell dieses Jahr abgeschaltet werden müsste, soll nach dem Willen des RWE-Konzerns mindestens bis Ende 2011 weiterlaufen. Der Konzern überträgt dem südhessischen Kraftwerk kurzerhand eine "Reststrommenge" von 8.100 Gigawattstunden vom stillgelegten Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich in Rheinland-Pfalz. RWE hatte bereits die Laufzeit des Reaktors Biblis A gestreckt, indem er Reststrommengen aus dem stillgelegten Eon-AKW in Stade, in dessen Umkreis eine stark überhöhte Kindersterblichkeit und Leukämieerkrankungen registriert wurden, erwarb. Dabei könnte der Konzern die Laufzeit von Biblis B noch weiter strecken. Von insgesamt 21.450 Gigawattstunden Reststrommenge überträgt RWE bisher erst 8.100 Gigawattstunden von Mülheim-Kärlich auf Biblis B.

Diese Möglichkeit, Kontingente verschiedener AKWs miteinander zu verrechnen, geht auf den so genannten "Atomkonsens" zurück, den im Jahr 2000 die damalige Schröder/Fischer-Regierung mit den Energiekonzernen vereinbart hat. Der angebliche "Atomausstieg" beinhaltete, dass alle deutschen Atomkraftwerke zusammen noch 2.623 Millionen Gigawattstunden Strom produzieren durften. In Jahre umgerechnet ergab das eine durchschnittliche Laufzeit für jedes Kraftwerk von 32 Jahren. Ein festes Datum für die endgültige Abschaltung war nicht vorgeschrieben.

Da einzelne Kraftwerke aus verschiedenen Gründen mittlerweile stillgelegt wurden, können andere umso länger laufen und werden dadurch zu tickenden Zeitbomben. Denn mit zunehmender Betriebsdauer wird das Material durch den dauernden radioaktiven Beschuss immer spröder. Erst am vergangenen Freitag war das Notstandssystem von Biblis B für rund eine Minute ohne Strom. Anfang Juli gab es ein Leck an einer Armatur. Der Reaktor legte in den vergangenen Jahrzehnten eine Pannenserie ohnegleichen hin.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die Laufzeiten der Atommeiler nun sogar auf bis zu 60 Jahre verlängern. Sie setzen damit um, was die vier großen Energiekonzerne in Deutschland seit Jahren massiv gefordert haben. Bei einer Verlängerung um 28 Jahre winken ihnen mindestens 250 Milliarden Euro zusätzliche Profite. Eine Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre würde das Risiko weiterer "Störfälle" bis hin zum "Super-GAU" wie in Tschernobyl unkalkulierbar erhöhen.

Noch schiebt die Bundesregierung den Beschluss zur geplanten Laufzeitverlängerung angesichts der anschwellenden Proteste vor sich her. Hunderttausende haben in Deutschland in diesem Jahr bereits für die Stilllegung aller Atomkraftwerke demonstriert. Die Kraftwerksbetreiber versuchen deshalb, ihre Meiler mit solchen Strommengen-Übertragungen bis zur Aufhebung des bisherigen "Atomkonsenses" über die Zeit retten. Dessen Kritiker hatten ihn bereits vor zehn Jahren auch deshalb als Mogelpackung bezeichnet, weil die Konzerne von vornherein darauf setzen würden, dass früher oder später die Regierung wechselt.

Um der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen, verbreiten Bundesregierung und Energiekonzerne die Lüge, die AKWs würden als "Brückentechnologie" noch benötigt, bis man ganz auf erneuerbare Energien umsteigen kann. Vom technisch-wissenschaftlichen Stand her ist es aber längst möglich, die Energieversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen. Die skrupellose Entscheidung zu Biblis B unterstreicht, wie notwendig der Kampf für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen ist.