Politik
Pharmamonopole führen Gesundheitsminister Rösler die Feder
12.09.10 - Im Schatten der Auseinandersetzung um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten und die damit verbundenen Milliarden-Extraprofite für die Strommonopole legte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) dem Bundeskabinett das "Arzneimittelspargesetz" vor. Am 22. September soll die Finanzierungsreform der Krankenkassen folgen. Wie auch im Fall des sogenannten "Energiekonzepts" entspricht der Gesetzentwurf bis zur Formulierung ganzer Passagen wortgetreu den Wünschen der Monopole, in diesem Fall der Pharmakonzerne und der durch Fusionen und Übernahmen wachsenden Versicherungskonzerne.
Angeblich sind Reformen im Gesundheitswesen wegen einer "Kostenexplosion" und der Bevölkerungsentwicklung unumgänglich. Insbesondere die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) werden ins Feld geführt. Sie betrugen im letzten Jahr 30,7 Milliarden Euro, mit Wachstumsraten von +5,2 Euro (2008 +5,3 Prozent). Das sind durchschnittlich 422 Euro pro Kopf der Bundesbürger. Es sind vor allem die Arzneimittel- und Medizingerätehersteller selber, die mit Preissteigerungen und der Einführung "innovativer" Medikamente für die angebliche "Kostenexplosion" sorgen. Ein riesiger profitabler Markt.
Mit den neuen Gesetzen soll noch vollständiger als bisher die Masse der Versicherten und Patienten dafür aufkommen. Die Beiträge der Versicherten sollen nach den neuen Gesetzen auf 15,5 Prozent steigen. Zugleich will man Zusatzversicherungen weiter ausbauen und die Apotheken stärker belasten. Die Krankenhäuser beklagen drohende Einnahmenkürzungen um 10 Prozent und Personalabbau.
Rösler hat in seinem Gesetzentwurf komplette vom Pharmaverband VfA vorformulierte Passagen nahezu wörtlich übernommen, so unter anderem einen "Vorschlag für eine Rechtsverordnung zur Nutzenbewertung". Danach sollen "patientenberichtete Eckpunkte wie etwa Lebensqualität und Therapiezufriedenheit" in die Nutzenbewertung einfließen. Diese "Eckpunkte" beruhen auf "Anwendungsbeobachtungen", für deren Anfertigung die Herstellerfirmen Ärzte bezahlen.
Der wissenschaftliche Aussagewert solcher Studien ist nach Ansicht fast aller führenden Forschungsinstitute gleich null. In anderen Ländern sind sie teilweise ausdrücklich verboten. Entfallen sollen statt dessen Kosten-Nutzen-Bewertungen für Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten sowie für solche "mit nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung".
Dem Mediziner Peter Sawicki, der im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums den Nutzen von Medikamenten recherchierte, wurde 2009 der Vertrag nicht mehr verlängert, nachdem sich der VfA über ihn beschwert hatte. Mit "geeignetem" Personal wird dagegen gerne ausgeholfen: Wolfgang Greiner, Gesellschafter von Herescon, einem "wissenschaftlichen Auftragsforschungsinstitut", zu dessen Kunden unter anderem der VfA gehört, ist von Rösler zum Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung für das Gesundheitswesen berufen worden. Der Rat erarbeitet Vorlagen und Expertisen für die Bundesregierung.
Oft werden solche Vorgänge verharmlosend als "Lobbyismus" bezeichnet, als "Einflussnahme auf die Politik", die jeder Verband ausüben könne. Tatsächlich werfen sie ein Schlaglicht auf das Wesen des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Die Regierung ist dabei mittlerweile zum Dienstleister der internationalen Monopole geworden.
Genauso wie beim wachsenden Widerstand gegen die lebens- und umweltgefährdende Atompolitik der Regierung ist es auch in der Gesundheitspolitik notwendig, dass immer mehr Menschen dagegen aktiv werden. Das gilt nicht nur für Ärzte und Beschäftigten im Gesundheitswesen an, sondern auch für die Masse der Arbeiter und Angestellten in Betrieben und Verwaltungen.
Eine gute Gelegenheit, den Widerstand gegen die verschiedenen Seiten des Krisenprogramms der Regierung miteinander zu verbinden, sind die geplanten Herbstaktionen der Gewerkschaften, die wöchentlichen Montagsdemonstrationen und die Herbstdemo der bundesweiten Montagsdemo-Bewegung am 16. Oktober in Berlin.