Umwelt
Überwältigender Protest gegen Atompolitik der Regierung
Berlin (Korrespondenz), 19.09.10: Gestern hat Berlin einen überwältigenden Protest gegen die menschheitsgefährdende Atompolitik von Bundesregierung und Energie-Monopolen gesehen: Weit mehr als die 50.000 erwarteten Leute kamen aus allen Teilen Deutschlands zusammen, die Veranstalter sprachen von 100.000! Das Meer an gelben Anti-AKW-Fahnen war unübersehbar, dazwischen viele selbstgemachte Transparente und Plakate. Die geplante "Umzingelung" des gesamten Regierungsgeländes gelang spielend. Die Stimmung und auch die Reden waren sehr eindeutig, wie auch schon der Aufruf zur Demo selbst: Atomkraftwerke abschalten – jetzt! Sofort! Keinerlei Kompromisse mehr!
Irgendeine nennenswerte Richtung, die auf einen neuerlichen Regierungswechsel orientierte, war nicht erkennbar, im Gegenteil waren immer wieder Stimmen und Redner zu hören, die den aktiven Widerstand betonten. Von der Rednertribüne wurde offen zu Blockaden der Atomtransporte aufgerufen, "auch wenn das verboten ist". "Dieses Jahr ist das Jahr der Entscheidung, und die Anti-Atombewegung wird sie für sich entscheiden!" rief ein Redner unter riesigem Beifall.
Grüne und SPD waren mit großen Teilnehmerblocks sichtbar vertreten, nicht jedoch im offiziellen Programm - offenbar ist hier eine sichtliche Ernüchterung über die schändliche Rolle der beiden Partei-Führungen beim sogenannten "Atom-Ausstieg" unter der Schröder-Fischer-Regierung in der Umweltbewegung eingekehrt. Die Linkspartei und die ÖDP waren mit Fahnen-Blocks auffällig; die MLPD trat gut sichtbar mit einem Büchertisch und mehreren fliegenden Werbetrupps sowie ebenfalls mit Fahnen und Flaggen auf.
Vereinzelt waren Gewerkschaftsfahnen zu sehen; Betriebsdelegationen hingegen nicht, obwohl verschiedene Gewerkschaftsgliederungen offiziell zu der Demo aufriefen (darunter auch die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen), und sicher auch viele Arbeiter und ihre Familien persönlich teilnahmen.
In der noch geringen Beteiligung der Arbeiterbewegung lag und liegt nach wie vor sicher die Hauptschwäche der neuen Umweltbewegung. Andererseits war auffällig, dass ein größerer Teil der rund 60 Nummern der "Roten Fahne" ausdrücklich aufgrund des enthaltenen Artikels zur Auseinandersetzung mit der "Greenwashing"-Propaganda des Siemens-Konzerns verkauft wurden.
Die Orientierung auf politische Streiks zur Durchsetzung einer raschen Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien stieß in den Gesprächen überall auf Zustimmung, aber auch auf eine gewisse Skepsis, ob das machbar ist.