Politik
"Gesundheitsreform": Dreiste Abzocke der Versicherten
24.09.10 - Am Mittwoch wurde von der Bundesregierung das von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vorgelegte "Arzneimittelspargesetz" abgenickt. Auf die rund 50 Millionen Krankenkassenmitglieder werden damit ab 2011 ständig steigende Belastungen zurollen. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung wird zum 1. Januar 2011 um 0,6 Punkte auf 15,5 Prozent erhöht. Statt 7,9 Prozent sollen die Beschäftigten künftig 8,2 Prozent zahlen, der Beitragsanteil der Unternehmen steigt von 7 auf 7,3 Prozent. Deren Beitrag soll aber danach nie mehr steigen. Alle künftigen Beitragssteigerungen müssen allein von den Versicherten durch Zusatzbeiträge finanziert werden.
Die Krankenkassen können dieses Zusatzbeiträge ab 2012 als einkommensunabhängigen, beliebig hohen Pauschalbetrag selbst festlegen. Die bisherige Obergrenze für die Zusatzbeiträge von maximal einem Prozent des Einkommens wird ersatzlos abgeschafft. "Nach unseren Berechnungen wird der Zusatzbeitrag schon 2020 im Schnitt knapp 80 Euro pro Kassenmitglied betragen", erläutert der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Die Versicherten sollen zwar einen Sozialausgleich für den Zusatzbeitrag erhalten, wenn dieser zwei Prozent ihres Einkommens übersteigt. Dieser wird aber nur einen Teil der Mehrausgaben betragen.
Auch die sonstige medizinischer Versorgung wird sich für die Masse der Versicherten erheblich verschlechtern. Rund 1,6 Milliarden Euro weniger dürfen im kommenden Jahr Ärzte und Krankenhäuser ausgeben. Die sollen im kommenden Jahr 500 Millionen Euro und 2012 dann 570 Millionen Euro weniger erhalten, indem einfach die Berechnungsbasis für die Krankenhauspreise halbiert wird. Die Kassenärzte sollen mindestens 850 Millionen Euro weniger für sogenannten "extrabudgetäre Leistungen" wie ambulantes Operieren, Vorsorge- und Früherkennung oder Dialyse erhalten.
Zurecht sprach Annelie Buntenbach vom Vorstand des Deutscher Gewerkschaftsbunds von "einem der größten Umverteilungs- und Belastungsprogramme gegen die Bürgerinnen und Bürger". "Wir werden alle immer älter und das wollen wir auch. ... Wir wollen auch medizinischen und technischen Fortschritt, all das muss finanziert werden", so verteidigt Rösler die Pläne. Damit verschweigt er aber wesentliche Tatsachen:
Erstens explodierte in den letzten zwei Jahrzehnten die Produktivität der Arbeit geradezu, sie stieg weit stärker als sämtliche Ausgaben für die Sozialversicherungen. Dieser riesige gesellschaftliche Reichtum fließt aber allein in die Taschen der Konzernherren, Bankiers und Spekulanten, die gleichzeitig immer weniger zur Finanzierung der Sozialversicherungen beitragen.
Zweitens sorgt vor allem die Pharmaindustrie mit ihren Preissteigerungen und der Einführung von immer teureren neuen Medikamenten für die angebliche "Kostenexplosion". Die Pharmapreise liegen in Deutschland zwischen 50 und 100 Prozent höher als im europäischen Durchschnitt. Aber auch Medizingerätehersteller wie Siemens verdienen sich mit ihren Monopolpreisen eine goldene Nase. Diese ständig steigenden Profite der Kapitalistenklasse werden mit dem Gesetz nicht im Geringsten angetastet. Dabei wäre es leicht möglich, mit einer 6-prozentigen Umsatzsteuer alle Sozialversicherungbeiträge zu finanzieren, auch wenn die Zahl älterer Menschen steigt!