Betrieb und Gewerkschaft

Außerordentliche Betriebsversammlungen im Bergbau: Kumpel kamen nur vor dem Saal zu Wort

29.09.10 - Am 29. September haben rund 1.200 Bergleute aus Deutschland in Brüssel demonstriert. Gleichzeitig fanden auf fünf Zechen im Ruhrgebiet und dem Saarland außerordentliche Betriebsversammlungen statt. Anlass ist der Protest gegen den Beschluss der EU-Kommission, zahlreiche europäische Steinkohlebergwerke bereits im Jahre 2014 zu schließen. In Ibbenbüren ruhte für einige Stunden die Förderung, weil die Nachtschicht vorzeitig ausgefahren und die 5-Uhr-Schicht erst nach der Versammlung angefahren ist. In anderen Bergwerken mussten die Kohlereviere arbeiten.

Die außerordentlichen Betriebsversammlungen liefen alle ähnlich ab. Nach einer Begrüßung durch den Betriebsratsvorsitzenden sprach der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis, bzw. im Saarland der stellvertretende Vorsitzende Freese. Die Bergleute durften auf den Versammlungen nicht sprechen. Versuche von Kumpel, das Wort zu ergreifen, wurden rigide unterbunden.

Wenn Vassiliadis kämpferische Töne anschlug, kam Beifall auf, etwa als er ankündigte: "Wenn es sein muss, rücken wir dem Brüderle in Berlin auf die Bude." Nach der Betriebsversammlung gab es viele enttäuschte Äußerungen von Kumpel, etwa vor dem Bergwerk West in Kamp-Lintfort: "Das soll schon alles gewesen sein?" Besonders fragwürdig für viele Kumpel ist, dass sie jetzt abwarten sollen bis zum Treffen der für Energie zuständigen Wirtschaftsminister der EU am 10. Dezember oder dem Treffen der EU-Regierungschefs am 17. Dezember.

In Marl (Bergwerk Auguste Victoria), Bottrop (Bergwerk Prosper), Kamp-Lintfort (Bergwerk West) und Saarbrücken (Bergwerk Ensdorf) wurden Solidaritätskundgebungen mit "offenem Mikrofon" vor den Versammlungshallen von der kämpferischen Bergarbeiterbewegung "Kumpel für AUF" durchgeführt. Dort konnten Kumpel, denen in den Versammlungen verwehrt wurde, etwas zu sagen, ihre Beiträge halten. Viel Aufmerksamkeit bekamen auch die Redebeiträge von Bergarbeiterfrauen, die z.B. in Bottrop erklärten, "dass wir es nicht zulassen dürfen, dass Politiker, die noch nie ordentlich gearbeitet haben, über das Leben der Kumpel entscheiden".

Vor Auguste Victoria in Marl wurde erklärt, dass nicht hingenommen werden kann, was in der Zeit bis Dezember bereits an Fakten geschaffen werden soll: Schließung des Bergwerks Ost, Entlassung von an die 300 Jungbergleuten zum 30. November und zahlreicher Kumpel bei Bergbauspezialfirmen zum Jahresende. Am offenen Mikrofon brachten auch Delegationen anderer Betriebe ihre Solidaritätserklärungen vor, die sie in den Sälen nicht verlesen durften.

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