Politik
Hartz-IV-Neuberechnung: Ein "großer Schritt" zu noch mehr Niedriglöhnen und wachsender Armut
27.09.10 - Als einen "sehr, sehr großen Schritt" bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern die Regierungsentscheidung, den Hartz-IV-Regelsatz um sage und schreibe fünf Euro auf zukünftig 364 Euro monatlich anzuheben. Sehr groß ist nun vor allem - und ganz zurecht - die Empörung bei Arbeitslosen- und Sozialverbänden, Gewerkschaften und natürlich den Betroffenen. Viele Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld hatten sich aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze Hoffnungen auf eine zumindest spürbare Entlastung ihrer Notsituation gemacht.
Gemessen an der Preissteigerung, die Menschen mit niedrigem Einkommen besonders trifft, bedeutet die angebliche "Erhöhung" für die Bezieher unter dem Strich eine reale Minusrunde. Dieselbe Regierung, die der Pleitebank HRE kurzerhand weitere 40 Milliarden Euro an Garantien zuschiebt, jammert bei rund 400 Millionen Euro, die die kosmetische Erhöhung kosten würde, dass "der Sozialstaat ... bezahlbar bleiben" muss (siehe auch "rf-news"-Artikel von gestern).
Wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, wurde von der Regierung dazu die Berechnungsgrundlage von Hartz verändert. Allerdings drückt man sie mit statistischen Tricks nun noch weiter nach unten. So wurden aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes zwar die Bezieher von Hartz-IV-Leistungen ausgeklammert, zugleich werden statt der untersten 20 Prozent nur die untersten 15 Prozent der Einkommensbezieher herangezogen - Friseuse, Wachleute, Putzhilfen ...
Damit dient der massive Durchbruch zu einem Niedrigstlohnsektor, der durch die Hartz-Gesetze voran getrieben wurde, nun wiederum zur Rechtfertigung, den Hartz-IV-Regelsatz niedrig zu halten. Dass es in erster Linie darum geht, noch mehr Niedriglöhne durchzusetzen, geht aus der Begründung der Regierung hervor, das "Abstandsgebot" zu den niedrigsten Löhnen müsse gewahrt werden. Vom wachsenden Abstand der Hartz-IV-Leistungen und sinkenden Reallöhne zu den Millionären und Milliardären in Deutschland ist dabei allerdings keine Rede.
Es reicht deshalb auch nicht aus, die Regelsätze um 5, 20 oder 100 Euro zu erhöhen. Das gesamte Hartz-IV-Gesetz gehört vom Tisch! Notwendig ist statt dessen die Erhöhung und unbegrenzte Fortzahlung des Arbeitslosengeldes für die Dauer der gesamten Arbeitslosigkeit, die Erhöhung der Sozialunterstützung sowie ein Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde. "Weg mit Hartz IV!" - Dafür stehen die Montagsdemonstranten seit mittlerweile über sechs Jahren. Für den 16. Oktober bereiten sie gegenwärtig ihre bundesweite Herbstdemonstration in Berlin vor (siehe www.bundesweite-montagsdemo.com). Die provokativen Absichten der Regierung sind ein Grund mehr, nun massenhaft auf die Straße zu gehen und sich an der Herbstdemonstration zu beteiligen.