Politik
"Schuster, Mappus ihr müsst gehn - lasst euch in Stuttgart nicht mehr sehn!"
Stuttgart (Korrespondenz), 30.09.10: "So etwas hat Stuttgart noch nicht gesehen", war die Meinung vieler Demonstranten bei den jüngsten Widerstandsaktionen gegen das Milliardenprojekt "Stuttgart 21". Was war geschehen? Am Vormittag des 30. September rückten massive Polizeiaufgebote vor, ausgerüstet mit schwerem Gerät, insbesondere Wasserwerfern, um den Schlossgarten von Demonstranten zu räumen und mit einem Bauzaun zu umzäunen. Dabei wurde mit äußerster Brutalität vorgegangen.
Viele Menschen waren angesichts von Wasserwerfer-Einsätzen, Reizgasangriffen und Polizeiknüppeln überrascht, fassungslos, erschüttert - vor aller Dingen aber wütend. Die Wut war gerade auch deshalb riesengroß, weil sich die Brutalität unterschiedslos gegen jeden richtete, ob es junge Menschen oder fast noch Kinder oder Ältere waren. Es war der härteste Polizeieinsatz in Stuttgart seit Gründung der Bundesrepublik. Es soll bisher über 400 verletzte Demonstranten gegeben haben. Oft war zu hören: "Das Thema Demokratie ist für mich abgehakt" oder auch: "Was ist das für ein Staat - ein Polizeistaat!"
Doch auch wenn jetzt unter dem Schutz des Staatsterrors die ersten Bäume gefällt werden, ist "Stuttgart 21" noch längst nicht durchgesetzt. Der Polizeieinsatz fand ja nur deshalb statt, weil die Massenbewegung des aktiven Widerstandes in den letzten acht Wochen enorm angestiegen ist und bundesweit sowie international immer größere Aufmerksamkeit und Solidarität erhält. Auch am 30. September waren in kürzester Zeit über zehntausend Menschen im Schlossgarten versammelt, die über SMS, E-Mails usw. informiert worden waren.
Jetzt lassen die Regierenden und "Stuttgart 21"-Betreiber, angeführt von Bundeskanzlerin Merkel und Mininisterpräsident Mappus, die demokratische Maske fallen. Nachdem ihre Betrugsmanöver gescheitert sind und bei der Masse der Menschen auf Ablehnung stießen, setzen sie nun auf offene Gewalt. Das wird den Widerstand noch mehr herausfordern und so sind auch für den 1. Oktober neue Großdemonstrationen geplant. Während schon tagsüber die Aktionen nicht abreißen werden, trifft man sich ab 19 Uhr im Schlossgarten unter dem Motto: "Unser Widerstand wird schärfer!"
Das von der MLPD auch am 30. September während der Polizeieinsätze initiierte Offene Mikrofon war regelrecht umlagert, auch eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sprach dort und berichtete, dass die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin besetzt worden sei. Gefordert wurde auch die Bestrafung der Verantwortlichen bei der Polizei für die brutalen Übergriffe. Das ist berechtigt, politisch hauptverantwortlich sind aber der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg und der Oberbürgermeister von Stuttgart.
Folgende Parolen wurden und werden aktuell über das offene Mikrofon verbreitet und finden große Resonanz: "Schuster, Mappus ihr müsst gehn - lasst euch in Stuttgart nicht mehr sehn!", "Hopp, hopp, Abrissstop - hopp, hopp Baumfällstop!", "Höchste Zeit für Volksentscheid - landesweit!", "Schlossgarten frei – keine Polizei!"
Aufgerufen wurde auch, bundesweit Solidaritätserklärungen an die "Stuttgart 21"-Gegner zu schicken. Sie können auch an die Initiativgruppe "Kein Stuttgart 21 - Wir denken weiter, als es der Kapitalismus zulässt!" gesendet werden, die sie weiterleitet (Adresse: Volker Zintgraf, Bussenstraße 15, 70186 Stuttgart bzw. über E-Mail: stuttgart@mpld.de oder/und www.bei-abriss-aufstand.de).