Top
Tarifeinigung für die Stahlindustrie: Wenn man die Trümpfe in der Hand hat, muss man ein Spiel zu Ende führen
30.09.10 - Im Folgenden dokumentieren wir einen Artikel aus der Branchenzeitung von Kollegen für Kollegen, "Der Stahlkocher":
In der dritten Verhandlungsrunde für die Stahlindustrie Nordwestdeutschlands wurde bereits nach einer ersten Warnstreikwelle, an der sich 17.000 Kolleginnen und Kollegen mit großer Kampfbereitschaft und Entschlossenheit beteiligten, eine Vereinbarung ausgehandelt. Sie wird heute in der Tarifkommission beraten. Für 14 Monate (bis 31.10.2011) soll es danach ein Erhöhung von 3,6 Prozent geben, für den September eine Einmalzahlung von 150 Euro und für die Auszubildenden 40 Euro. Die IG Metall hatte 6 Prozent und 60 Euro gefordert. Für Leiharbeiter wurde eine "tarifliche Fairness-Garantie" vereinbart, so IGM-Bezirksleiter Oliver Burkhard, nach der sie für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten wie die Kollegen der Stammbelegschaft. Zur geforderten kürzeren Arbeitszeit für ältere Kollegen gibt es keine Einigung, dies soll in einer Arbeitsgruppe weiter verhandelt werden.
Das ist ein Zugeständnis des Unternehmerverbandes Stahl an die Stahlarbeiter, das zeigt, in welcher politischen Defensive er sich befindet. Im Vorfeld wollte er insbesondere die überbetriebliche Festschreibung der gleichen Löhne für die Leiharbeiter verhindern, weil dies ein Signal für alle anderen Branchen ist. In der Stahlindustrie gab es auch bisher schon einige betriebliche Vereinbarungen, die den gleichen Lohn für Leiharbeiter festschreiben.
Grund dieses Zugeständnisses ist, dass der Unternehmerverband eine Urabstimmung und einen Massenstreik auf alle Fälle verhindern wollte, zum einen aus wirtschaftlichen Gründen - die Anlagen in der Stahlindustrie sind zur Zeit zu rund 85 Prozent ausgelastet, in der Rohstahlerzeugung sogar zu über 100 Prozent. Es können gar nicht alle Aufträge erledigt werden. Vor allem aber, um die Regierung Merkel vor einem Brandherd in der Stahlindustrie zu verschonen, die ja angesichts der Auseinandersetzung im Bergbau, um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, um "Stuttgart 21" sowie durch die massive Kritik an ihren Hartz-IV-Plänen vor allem fürchtet, dass in den Betrieben der Geist der Arbeiteroffensive weiter um sich greift.
Zur dritten Verhandlungsrunde am 29. Oktober sollte eigentlich die Produktion in den Walzwerken heruntergefahren werden und die Belegschaften zur Kundgebung vor dem Verhandlungslokal nach Düsseldorf fahren. Dies wurde jedoch kurz vor der Beginn der Verhandlung von der IGM-Führung mit der scheinheiligen Begründung, man müsse ja "noch steigerungsfähig" sein, abgesagt. Dennoch versammelten sich an die 500 Stahlarbeiter von Salzgitter bis Siegen und natürlich aus dem Ruhrgebiet vor dem Tagungshotel Hilton in Düsseldorf. Einstimmig wurde zu Beginn der Kundgebung eine Solidaritätserklärung an die Bergarbeiter verabschiedet.
Wenn die Regierung und die Monopole so in der Defensive sind und die Stahlarbeiter die Trümpfe in der Hand haben, dann muss man die Situation erst recht nutzen, statt sie zu schonen. Statt Rücksicht auf Stahlkonzerne und die Regierung zu nehmen, gilt es jetzt erst recht, die gesamte Rechnung aufzumachen: Die Forderung nach 6 Prozent vollständig durchsetzen, die Rücknahme der Rente mit 67, die Übernahme aller Azubis ...
Die Durchsetzung der gleichen Bezahlung der Leiharbeiter mit der Stammbelegschaft ist natürlich zu begrüßen, notwendig ist darüber hinaus die Festeinstellung der Leiharbeiter, um der Praxis des Heuerns und Feuerns ein Ende zu bereiten. Gegen die Methode der Stahlkonzerne, die nur relativ wenige Leiharbeiter direkt beschäftigen und stattdessen Billiglöhner indirekt über Subunternehmer einsetzen, ist es nötig, auch die Übernahme dieser Kollegen in die Stammbelegschaft durchzukämpfen.