Politik
Kämpferisch, lebendig, lautstark: 7. Herbstdemonstration gegen die Regierung
16.10.10 - Als um 13.30 Uhr die beiden Züge am Strausberger Platz im Osten Berlins zusammentrafen, zählte die Demonstration 7.000 Teilnehmer - Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder. Unter dem Motto "Aufstehn für eine lebenswerte Zukunft! Weg mit Hartz IV - das Volk sind wir! Von Athen bis Berlin weg mit der Abwälzung der Krisenlasten auf den Rücken der Bevölkerung!" hatte die bundesweite Montagsdemobewegung zur 7. selbstorganisierten Herbstdemonstration in Berlin am heutigen Samstag, dem 16. Oktober, aufgerufen.
Trotz Nebel und Nieselregen hatten sich um 12.00 Uhr am Hermannplatz und an der S-Bahn-Station Prenzlauer Allee zwei kämpferische Demonstrationszüge in Bewegung gesetzt. "Wir sind stolz darauf, dass hier die ganze Bandbreite, das ganze Spektrum der Montagsdemobewegung vertreten ist", hatte der Moderator bei der Auftaktskundgebung am Hermannplatz die Demonstranten begrüßt.
In der Tat wurden mit Transparenten und Schildern, mit offenen Mikrofonen und Reden, mit Liedern und Parolen die offene Rechnung mit der volksfeindlichen Regierungspolitik aufgemacht: Arbeitslose, Hartz-IV-Betroffene, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, betriebliche Initiativen, Leiharbeiter, Auszubildende, AKW- und "Stuttgart 21"-Gegner, Frauenpower, die rebellische Jugend und viele andere mehr. Auffällig auch Delegationen aus den Betrieben, Stahlarbeiter, Bergarbeiter, Opelaner.
Die MLPD trat für eine sozialistische Perspektive ein, dazu auch Plakate und Transparente von zahlreichen anderen politischen Organisationen. Die Kassler Trommelgruppe heizte kräftig ein und die Stimmung war hervorragend! Die internationale Solidarität und Zusammenarbeit wurde groß geschrieben. Begeisterung lösten die Grußworte von Vertretern revolutionärer Bewegungen aus Chile und Bolivien aus und natürlich wurde noch einmal gefeiert, dass die chilenischen Bergleute überlebt haben.
"Die Hartz-Gesetze sollten laut ihrer Urheber die Menschen in Arbeit und Brot bringen. Was haben sie tatsächlich gebracht? Eine unglaubliche Zunahme der Armut, der prekären Arbeitsverhältnisse und eine Lohndrückerei auf breiter Front!" Aber sechs Jahre Montagsdemobewegung haben auch gezeigt: diese Bewegung lässt sich nicht kleinkriegen. Die Regierung hatte gehofft, es handle sich hierbei um eine Eintagsfliege - das Gegenteil ist eingetreten, davon legte die heutige Herbstdemonstration lebendiges Zeugnis ab. Ebenso von ihrem starken Rückgrat und der hervorragenden demokratischen Demonstrationskultur. Und die Montagsdemo gegen Hartz IV ist inzwischen Impulsgeber für zahlreiche andere Montagsdemos wie z.B. gegen "Stuttgart 21".
Eine derartige Vielfalt selbstgemachter Transparente und Schilder, mit denen die Demonstranten ihre Anliegen vorbrachten, haben Berlins Straßen garantiert noch selten gesehen. "Aufschwung findet statt für Monopolprofite, Armut, Ausbeutung, Sklavenarbeit!" stand auf einem Schild. Die Montagsdemo Reutlingen setzte sich für soziale Verbesserungen, "Arbeit für Jung und Alt, 10 Euro Mindestlohn" ein. Besonders auffallend und bejubelt war natürlich der Widerstand gegen das Monopolprojekt "Stuttgart 21", wo der brutale Polizeieinsatz gegen friedlich demonstrierende Schüler auf breite Empörung stößt.
Die sofortige Abschaltung der schrottreifen AKWs wurde ebenso gefordert wie das Ende der Zechenstilllegungen sofort: "Keine Zechen, das bedeutet: keine Ausbildungsplätze, keine Arbeitsplätze für unsere Kinder." Ein Kollege der Bergarbeiterbewegung "Kumpel für Auf": "Natürlich sind wir jetzt wegen dem aktuellen Anlass da, dass die Zechen platt gemacht werden sollen. Aber wir waren schon immer Bestandteil der Montagsdemobewegung, weil Hartz IV hat doch dafür gesorgt, dass der Niedriglohnsektor unglaublich ausgeweitet wurde. Arbeitende und Arbeitslose müssen gemeinsam kämpfen!"
Ein unglaubliches Verbotsurteil gab die Demo-Leitung am Anfang bekannt: in der Berliner U-Bahn war die Werbung für die selbständige Herbstdemonstration untersagt worden und zwar mit der Begründung, hier werde "zum Sturz einer demokratisch legitimierten Regierung aufgerufen". Von wegen "demokratisch legitimiert"! Das ist ein Hohn, denn die Regierung vertritt in wesentlichen Punkten wie der Verlängerung der AKW-Laufzeiten, dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan, der Renten- und Gesundheitspolitik doch inzwischen eine Minderheitenposition!
Auf der Abschlusskundgebung machten zahlreiche Redner ihre Rechnung mit der Regierung auf und unterbreiteten ihre vorschläge. So sagte unter anderem Manfred Gabler vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter: "Wir sind auch eine Art Aufstocker. Wir wollen auch von unserer Arbeit leben können. Deshalb sind wir solidarisch mit dieser Demonstration." Gabi Gärtner von der MLPD betonte: "In den letzten Monaten ist die Diktatur der Monopole hervorgetreten. Aber auch ein Stimmungsumschwung unter den Massen. Sie wollen die Zukunft ihrer Kinder nicht den Profiten der Energiemonopole opfern. Die Alternative ist nicht eine SPD/Grünen-Regierung, sondern eine revolutionäre Veränderung!"
Bilder und Berichte, Stimmen und Interviews von der Herbstdemonstration der Montagsdemobewegung in der nächsten Printausgabe der "Roten Fahne" (sie kann hier bestellt werden).