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EU-Kommission bleibt bei Zechenschließungen bis 2014 - Lügengebäude der Bundesregierung bröckelt
22.10.10 - Während Bundeskanzlerin Merkel immer noch so tut, als müsse nur vernünftig mit der EU-Kommission verhandelt werden, um die Schließung der deutschen Steinkohlezechen bereits bis 2014 zu verhindern, lässt die Kommission erneut die Katze aus dem Sack. In einer Antwort auf ein Schreiben besorgter Bürgermeister der deutschen Kohlegebiete antwortete EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso jetzt arrogant, die Verordnung zum Schließungstermin Oktober 2014 sei bereits ein Kompromiss und "eine gute und solide Grundlage für den Ausstieg aus dem nicht mehr wettbewerbsfähigen Bergbau".
Zurecht nennt der Kamp-Lintforter Bürgermeister Christoph Landscheidt den Brief Barrosos in der "WAZ" vom 17. Oktober "geradezu zynisch". Wie das Lügengebäude der Bundesregierung hinsichtlich des "Steinkohlefinanzierungsgesetzes" bröckelt, zeigt seine Reaktion: "In Berlin war bekannt, dass es Klärungsbedarf hinsichtlich der Diskrepanz zwischen der deutschen Rechtslage und den Vorstellungen des EU-Kommissars gab."
Immer offensichtlicher wird, was die Bergarbeiterzeitung "Vortrieb" von vornherein vertrat und mittlerweile auch in der "Bild"-Zeitung, dem "Spiegel" und anderen bürgerlichen Zeitungen zu lesen war: In Wirklichkeit hat das "Steinkohlefinanzierungsgesetz", das 2007 beschossen wurde, um einen neuen Massenkampf der Bergarbeiter zu vermeiden, keinerlei Rechtsgrundlage. Vielmehr sind laut der mit den Stimmen der SPD/Grünen-Regierung verabschiedeten EU-Verordnung 1407/2002 nach dem 31.12.2010 gar keine Kohle-Beihilfen in der EU mehr erlaubt. Und solche EU-Verordnungen haben Vorrang vor nationalem Recht. Allen beteiligten Politikern, dem RAG-Vorstand und der IGBCE-Führung war das entgegen ihren eigenen Beteuerungen stets klar.
Auch im Energiekonzept der Bundesregierung wird eindeutig festgelegt, dass die künftige Energiepolitik der Bundesregierung und der deutschen Energiekonzerne sich auf zwei Energieträger konzentriert - nämlich Atomstrom und Importkohle. Bei diesen ist die Bundesregierung auch zu Milliardensubventionen bereit, bei der Importkohle will sie sogar neue Subventionen für den Bau neuer Importkohlekraftwerke einführen.
Bei der europaweiten Demonstration der Gewerkschaften in Brüssel am 29. September war ein großer Block von Bergleuten aus Deutschland dabei. Damals bekam IGBCE-Chef Michael Vassiliadis noch von einem Teil der Bergleute Beifall für seinen Appell, dass man auf das Wort der Kanzlerin vertrauen könne und dass die deutsche Regelung am Ende noch von der EU akzeptiert werden müsse. Aber schon während der Demo in Brüssel überwog bei vielen Beteiligten die Skepsis: "Die haben uns schon so viel versprochen, ich glaube denen da oben nichts mehr."
Beim Verkauf der "Roten Fahne" heute morgen an der Zeche West sprach sich fast die Hälfte der angesprochenen Kumpel dafür aus, wie in Frankreich zu kämpfen. Oft war das verbunden mit der Frage: "Aber wer organisiert das? Alleine kann man da nichts ausrichten." Wie ein solcher neuer Massenkampf der Bergarbeiter tatsächlich organisiert werden kann, das stand dann oft im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Zwar gab es auch noch viele skeptische Stimmen wie "Das bringt doch alles nichts mehr" oder "Die Deutschen schlafen doch". In Gesprächen wurde aber deutlich, dass zunehmend verarbeitet wird: Man will die Bergleute nur hinhalten, um im Hintergrund die Zechenschließungen für spätestens 2014 festzuklopfen.
In einem Interview mit der "Roten Fahne" am Rande der Belegschaftsversammlung von Auguste Viktoria hatte der IGBCE- Vorsitzende Vassiliadis erklärt, dass Arbeitsniederlegungen "die nächste Stufe" seien. Es wird Zeit, ihn beim Wort zu nehmen. Warum sollten die Bergleute damit noch warten, bis der Rat der EU-Wirtschaftsminister am 10. Dezember die bisherige Beschlusslage "unwiderruflich" bekräftigen wird?