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Frankreich: Streikwelle gegen die Regierung
18.10.10 - Seit dem Wochende werden in Frankreich 11 von 12 Öl-Raffinerien bestreikt. Gestreikt wird auch auf den Flughäfen von Paris und bei den Eisenbahnen. Die LKW-Fahrer sind von ihren Gewerkschaften für heute zu Straßenblockaden aufgerufen. Die Kerosin-Reserven des größten Flughafens Frankreichs, des "Charles-de-Gaulle", gehen aktuell zur Neige, 10 bis 30 Prozent der Flüge fallen nach offiziellen Angaben auf den Pariser Großflughäfen bereits aus.
Nach Regierungsangaben sind bei 230 Tankstellen des Landes Benzin und Diesel ausgegangen, Tankstellen reduzieren die Abgabe auf 20 Liter pro Fahrzeug, davor bilden sich lange Schlangen. Die Regierung muss auf ihre "strategischen Kraftstoffreserven" zurückgreifen.
Das ist in Frankreich die sechste landesweite Welle von Massenstreiks und Massenprotesten gegen das verhasste Gesetz der Sarkozy-Regierung, die das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre und die Altersgrenze für eine ungekürzte Rente von 65 auf 67 Jahre anheben will. Das erklärte Ziel der Streikenden ist, das Land lahmzulegen und der Regierung eine Niederlage beizubringen.
Die Regierung will das Gesetz am Mittwoch durch den Senat bringen und am Freitag dieser Woche durch Sarkozys Unterschrift in Kraft setzen. Immer lauter wird der Ruf: "Sarkozy muss weg!" Massenstreiks und Proteste wurden nach dem landesweiten Kampftag am vergangenen Donnerstag, der mit 3,5 Millionen Beteiligten den Charakter eines Generalstreiks hatte, auch am Wochenende weitergeführt und sind für morgen wieder landesweit geplant.
Eine Korrespondentin aus Paris berichtet aktuell an "rf-news": "Der Senat stimmte für wesentliche Teile des Rentengesetzes, doch die Streikbewegung geht unvermindert weiter und wird schärfer. Die Fernfahrer haben beschlossen, in dieser Woche Verkehrswege und die Benzinversorgung zu blockieren. Dagegen droht die Regierung mit dem Einsatz der Staatsgewalt. Diese Woche wird als entscheidend angesehen." Sie berichtet weiter, dass diese Kämpfe ihre besondere Kraft aus der Kampfeinheit von Jung und Alt schöpfen. So wurde der Schulbetrieb am 14. Oktober an über 900 Gymnasien boykottiert.
In Deutschland wird von den bürgerlichen Politikern und Medien derzeit nicht zufällig die unsägliche, spalterische Hetze gegen Migranten hochgekocht, um das verbreitete Gefühl internationaler Solidarität zwischen den Werktätigen zu untergraben. Unfreiwillig informiert dagegen die Deutsche Bahn unter ihrer Internet-Rubrik "Störungen im Fernverkehr": "Im französischen Schienenverkehr kommt es weiterhin zu Streikmaßnahmen ... Ein Ende des Ausstands wurde nicht bekanntgegeben." Sie macht darin weiter bekannt, dass auch die Eisenbahner in Belgien heute streiken und die Eisenbahner in Italien für den 21./22. Oktober Streiks beschlossen haben.
Diese Kämpfe haben also eine europaweite Dimension. Die Ankündigung des DGB und verschiedener Einzelgewerkschaften in Deutschland zu einem "heißen Herbst" ist ein wichtiger Faktor, dass sich Kämpfe in Deutschland mit denen in Frankreich, Belgien, Italien usw. verbinden. Die Gewerkschaftskollegen im Transportsektor sind aufgerufen, keine Streikbrecherarbeiten gegen den Kampf der Kollegen in Frankreich zuzulassen und z.B. den Plan der französischen Regierung zum Scheitern zu bringen, Treibstoffimporte aus den europäischen Nachbarländern zu organisieren! "Kämpfen wie in Frankreich" ist bei uns ein fester, mit großer Sympathie verbundener Begriff geworden. Die heutigen Montagsdemos sind eine gute Möglichkeit, die Solidarität über Grenzen hinweg weiter zu entwickeln.