Politik

Polizeikommissar Thomas Mohr: "Ich schäme mich für den Polizeieinsatz in Stuttgart"

Oberhausen (Korrespondenz), 18.10.10: Gegenüber der heutigen Ausgabe des "Hamburger Abendblatt" äußert sich der Mannheimer Polizeikommissar Thomas Mohr (48) zu den brutalen Polizeieinsätzen in Stuttgart. Er sei mit seiner Hundertschaft mitten im "Kampfgetümmel" gewesen, als im Stuttgarter Schlossgarten bei den Großdemonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt Polizeikräfte Wasserwerfer, Schlagstock und Pfefferspray gegen die Demonstranten eingesetzt hatten. Den Einsatz von Kollegen, den er aus den geschlossenen Reihen seiner Hundertschaft "wie ohnmächtig" mit angesehen hat, kann er bis heute nicht verstehen.

"Wir werden von der Politik immer mehr missbraucht und verheizt ... zweckentfremdet und benutzt ... (Es) wurde ein Exempel statuiert, Macht demonstriert, ganz sicher auch schon mit Blick auf den nächsten Castor-Transport. Stuttgart ist wohl nur Teil eines großen Puzzles. Die Politik vergackeiert uns zunehmend, und, was noch schlimmer ist, sie ignoriert den Willen der Bevölkerung ... Wenn man scharfe Kampfhunde, ich meine die Polizei-Spezialeinheiten, mit zu einer Demonstration nimmt und sie dann auch noch ohne ersichtlichen Grund von der Leine und räumen lässt, dann beißen sie ohne Erbarmen zu. Dafür wurden sie gedrillt und ausgebildet. Das wussten die, die für den Einsatz verantwortlich waren, ganz genau. Sie mussten das Okay von oben haben. Von ganz oben."

Nach dem brutalen Einsatz sympathisieren noch einige Beamte mehr aus Mohrs Hundertschaft mit den Gegnern des milliardenteuren Bahnhof-Projekts. Er selbst will auch nicht, dass der Bahnhof gebaut wird. Werde er noch einmal Zeuge einer solchen "Gewaltorgie", bekomme er gar selber den Befehl, gegen friedliche Demonstranten den Schlagstock einzusetzen, werde er von dem in den Beamtenstatuten definierten "Remonstrationsrecht" Gebrauch machen.

Nach Vorschrift des Beamtenrechts muss der Beamte dienstliche Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Hat er Bedenken gegen eine Weisung, kann er dies seinen Vorgesetzten gegenüber demonstrieren, gegen die Ausführung der Weisung Einwände erheben. "Die Situation in diesem Herbst ist so ernst, sie erfordert auch aus den Reihen der Einsatzkräfte Beamte, die den Mund aufmachen. Was in Stuttgart passiert ist, war falsch. Ich war dabei. Ich schäme mich dafür."