Betrieb und Gewerkschaft
Warnstreiks an Baden-Württembergs Unikliniken
Freiburg (Korrespondenz), 28.10.10: Gestern waren am Uniklinikum Freiburg vormittags zwei Drittel der Operationssäle geschlossen. Anästhesisten und OP-Kräfte behandelten nur Notfälle, der Reinigungsdienst lief auf Sparflamme, Hebammen und Hauswirtschaftskräfte arbeiteten nicht, an allen Stationen fehlten Azubis – rund 450 Beschäftigte waren dem Streikaufruf der Gewerkschaft ver.di im Rahmen der Tarifverhandlungen gefolgt.
Die meisten von ihnen versammelten sich um 11 Uhr zur Kundgebung auf dem Klinikgelände, um für die volle Durchsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen zu demonstrieren: 190 Euro (bzw. 120 Euro für Azubis) mehr Lohn im Monat von September 2010 bis September 2011, Übernahme aller Azubis unbefristet in Vollzeit, drei zusätzliche freie Tage für Gewerkschaftsmitglieder und die Beibehaltung der bisherigen Altersteilzeitregelung.
Die Auszubildenden stellten bei der Kundgebung ein gutes Viertel der Anwesenden und prägten sie mit selbstgemalten Transparenten. Sie empören sich besonders über das Festhalten der Klinikchefs an der bisherigen Praxis, nur Ausgelernte mit Notendurchschnitt 1 und 2 zu übernehmen. Dass nur noch einige wenige ältere Kollegen die Möglichkeit bekommen sollen, in Altersteilzeit zu gehen, während die jüngeren nicht übernommen werden, sieht hier keiner ein.
"Bis 67 Jahre zu arbeiten, ist in unseren Berufen allein schon körperlich nicht möglich", ergänzt ein Pflegeschüler aus der Kinderklinik. Also weg mit der Rente mit 67? "Dass wir das schaffen, glaube ich im Moment noch nicht, wir sind hier nicht so gut organisiert wie in Frankreich", meint eine OP-Schwester, die der Streikleitung angehört. Der "Rote Fahne"-Titel "Kämpfen wie in Frankreich" stößt bei den meisten auf Zustimmung. "Die haben wenigstens einen Arsch in der Hose", heißt es spontan.
Am Mittag wird bekannt, dass die Freiburger Klinikleitung ihr am Vorabend gemachtes Versprechen, keinem Warnstreikenden für die Fehlzeit Gehalt abzuziehen, rückgängig gemacht hat. Dem Vorschlag der Streikleitung, als Antwort darauf den Warnstreik nicht wie geplant mittags zu beenden, sondern erst um 16 Uhr, wird per Applaus zugestimmt. Viele Aktivisten nutzen die Gelegenheit, unter den Streikenden neue Verdi-Mitglieder zu gewinnen. "Allein ich habe heute morgen fünf Leute überzeugen können", sagt ein junger OP-Assistent aus der Zahnmedizinischen Klinik.