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Warnstreiks im Regionalverkehr - Eisenbahner kämpfen gegen Lohndumping
26.10.10 - Massive Auswirkungen im Regional- und Fernverkehr hatten die heutigen von den Gewerkschaften Transnet und GDBA organisierten Warnstreiks. Bestreikt wurden wichtige Zentren des Schienenpersonen-Nahverkehrs (SPNV) sowohl der Deutschen Bahn als auch konkurrierender Privatbahnen. Nach Angaben der Gewerkschaften haben sich bundesweit über 1.700 Beschäftigte beteiligt. In fast allen Bundesländern gab es im Laufe des Tages erhebliche Ausfälle und Verzögerungen - oft auch deshalb, weil Stellwerke bestreikt wurden, Züge gar nicht aus ihren Depots gefahren oder nicht gereinigt wurden. Die Folgen der Streiks werden noch bis in den Abend hinein zu spüren sein.
Die Gewerkschaften fordern einen einheitlichen Branchentarifvertrag, mit dem das zunehmende Lohndumping im Regionalverkehr unterbunden werden soll. Das Entgelt der 120 privaten Bahnfirmen und der mittlerweile 17 von der Deutschen Bahn ausgegliederten Gesellschaften liegt im Schnitt 20 Prozent unter dem Tariflohn bei der Deutschen Bahn. Die Privatbahnen haben rund 10.000 Beschäftigte, die Deutsche Bahn hat 155.000.
Im Regionalverkehr herrscht ein erbitterter Konkurrenzkampf um die Ausschreibung von Strecken, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Der Bund bezuschusst den Schienen-Regionalverkehr jährlich mit 7 Milliarden Euro, und die Länder entscheiden, welches Unternehmen bestimmte Strecken fahren darf. Wer am billigsten anbietet, bekommt den Zuschlag. Auf diese Weise werden Gelder in die Kassen der hoch verschuldeten Bundesländer gespült.
Bereits Anfang des Jahres wurde im "Schwarzbuch Deutsche Bahn" aufgedeckt, dass bei Subunternehmen der Deutschen Bahn Dumpinglöhne, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung gang und gäbe sind. Die Kollegen arbeiten teilweise monatelang täglich elf Stunden an sieben Tagen in der Woche. Verbotene Doppelschichten werden nicht in die Arbeitsbücher eingetragen. Die Stundenlöhne schwanken zwischen 1,50 Euro und 6,50 Euro in der Stunde. Die Arbeitsbedingungen für die am Warnstreik beteiligten Zugbegleiter, Stellwerks-Beschäftigten und Servicekräfte sind extrem. Tägliche Arbeitszeiten von 10 bis 12 Stunden sind normal, bereits 2009 verlangten die Gewerkschaften, dass mindestens 12 Wochenenden im Jahr arbeitsfrei sein müssen.
Der Vorstand der nicht an den Warnstreiks beteiligten Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kritisiert in einem offenen Brief, dass man "im Vorfeld der Tarifrunde" zwar versucht hätte, "eine einheitliche Vorgehensweise und damit einhergehend auch einheitliche Verhandlungsziele für ein gemeinsames Vorgehen gegen den Wettbewerb über die Lohnkosten zu schaffen", dass dies aber "nicht gelungen" sei. Gleichzeitig erklärt sich der GDL-Vorstand darin ausdrücklich mit den derzeitigen Streiks solidarisch.
Entgegen der Stimmungsmache in den bürgerlichen Medien, die Streiks würden auf dem Rücken der Pendler ausgetragen, wurden die damit verbundenen Beeinträchtigungen von der übergroßen Mehrheit verständnisvoll hingenommen. Viele sind der Meinung, dass das Anliegen der Eisenbahner völlig berechtigt ist und solidarisieren sich damit.
Reinhardt Meyer, Betriebsrat bei MAN Diesel&Turbo SE in Oberhausen, zu "rf-news": "Natürlich sind im Regionalverkehr vor allem berufstätige Pendler, Schüler und Studenten betroffen. Die Unternehmer ziehen Zeiten wegen Streik bedingtem Zuspätkommen vom Entgelt ab. Der Arbeitskampf der Bahnkollegen hat Bedeutung für alle Branchen, denn es geht darum, der Ausweitung von Dumpinglöhnen einen Riegel vorzuschieben. Solidarität mit diesem Kampf ist unter Umständen auch mit Opfern verbunden, aber ein Kampf der keine Wirkung zeigt, wäre sinnlos. Die Auseinandersetzung um die Solidarität mit den Streikenden steht daher in vielen Betrieben auf der Tagesordnung."