Umwelt
Anti-Castor-Proteste: Polizei prügelt auf Demonstranten ein
07.11.10 - Was Polizeisprecher angekündigt haben und Bundeskanzlerin Merkel gestern höchstpersönlich abgesegnet hatte (siehe "rf-news"-Bericht), wurde heute in die Tat umgesetzt: Mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Reizgas ging die Polizei massiv gegen Hunderte Demonstranten vor, die bei Leitstade zwischen Dahlenburg und Hitzacker im Wendland versucht hatten, auf die Gleise zu gelangen. Auch ein Polizeiräumpanzer war im Einsatz. Augenzeugen berichten einem Dutzend zum Teil blutender Verletzter und zahlreichen Menschen mit tränenden, gereizten Augen.
Ein lebendiger Anschauungsunterricht dafür, wie weit es mit dem von Merkel so gepriesenen Demonstrationrecht her ist, wenn die von den Herrschenden dafür gesteckten Grenzen des zahnlosen Protests überschritten werden. Mischa Aschmoneit von der Kampagne "Castor Schottern": "Nur durch einen unverhältnismäßigen Gewalteinsatz konnte die Polizei uns nach dem ersten Schottern wieder zurückdrängen. Der Wald ist voller Tränengas." Bei den Aktivisten gebe es aber immer noch eine große Entschlossenheit, "den weiteren Tag zum Schottern zu nutzen und sich nicht einschüchtern zu lassen".
Nördlich und südlich der Bahnstrecke hatten sich am frühen Sonntagmorgen rund 3.000 Castor-Gegner auf den Weg gemacht, um Steine aus dem Gleisbett zu holen und die Schienen zu blockieren. Insgesamt sind im Wendland weiterhin zehntausende Demonstranten und Blockierer unterwegs.
Auf seiner Strecke nach Gorleben war der Castor-Transport auch heute Nacht und am frühen Morgen mehrmals aufgehalten wurden, unter anderem südlich von Kassel, wo sich Aktivisten von einer rund 75 Meter hohen Fuldatalbrücke über den Gleisen abgeseilt hatten. Außerdem blockierten rund 50 Demonstranten die Schienen.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg macht darauf aufmerksam, dass auch ein Pionierpanzer der Bundeswehr gesichtet wurde. Das Bundesinnenministerium bestätigte der Bürgerinitiative auf Anfrage, dass im Rahmen des "Amtshilfeersuchens" der niedersächsischen Behörden nicht nur Kasernen und Verpflegung für die Polizei bereitgestellt würde, sondern auch "technisches Gerät". Systematisch werden auf diese Weise die Grenzen der Einsatzes der Bundeswehr im Inneren ausgedehnt, um Fakten für weitere Gesetzesänderungen zu schaffen.
Unser Korrespondent aus dem Wendland berichtete gestern noch, dass offenbar kurz nach 15 Uhr um die Demo herum das Mobiltelefon-Netz komplett zum Erliegen gebracht wurde. Die Verbindung zu ihm war jäh unterbrochen und seine Mobilbox erst nach 18 Uhr wieder zu erreichen. Andere Demo-Teilnehmerinnen und Teilnehmer erzählten ihm von gleichen Erfahrungen. Weitere Eindrücke fasste er so zusammen:
"Bei der Demonstration und Kundgebung herrschte eine gute kämpferische Stimmung. Es ist sehr interessant, dass viele Leute in der neuen Umweltbewegung mit 'grünlackiertem Kapitalismus' nicht viel am Hut haben, dass der Betrug mit dem sogenannten 'Atomausstieg' - der die heutigen laufzeitverlängerungen ja erst möglich machte - aus der Zeit der Schröder/Fischer-Regierung keineswegs vergessen, sondern fest in das Bewusstsein der AKW-Gegener eingegangen ist.
Gegenüber der MLPD, dem aktiven Widerstand und dem Gedanken des echten Sozialismus herrschte - wie schon berichtet - eine große Offenheit. Bei Einsätzen wurden rund 100 Klimaschutzprogramme der MLPD und über 40 Exemplare der 'Roten Fahne' verkauft sowie etliche Interessenten an einer weiteren Zusammenarbeit gewonnen."