Umwelt
Atomlobbyist und EU-Kommissar Oettinger zieht die Fäden zur atomaren Endlagerung
02.11.10 - Während sich Zehntausende Menschen auf die wohl größte Demonstration gegen atomare Endlagerung in Gorleben vorbereiten und nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage vom Sonntag 80 Prozent der Deutschen diesen Widerstand für richtig halten, mischt sich der Atomlobbyist und EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger (CDU), in die öffentliche Diskussion ein. Oettinger kündigte an, am 3. November einen "Richtlinienentwurf" zu präsentieren, der für die EU-Staaten verbindlich vorschreibt, dass die Atommüll-Endlagerung unter Regie der EU erfolgen soll.
Demnach sind alle EU-Staaten verpflichtet, nach Inkrafttreten innerhalb von vier Jahren nationale Entsorgungs- und Zeitpläne für die Errichtung von Endlagern den Behörden in Brüssel vorzulegen. Dann erhält die EU-Kommission auch das Recht zu Sanktionen, wenn ein Mitgliedsland diese EU-Richtlinie verletzt.
Die internationalen Atommonopole, die alleine in 14 europäischen Staaten 140 Kernkraftwerke betreiben, erhalten durch die EU Schützenhilfe bei dem Versuch, gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu schaffen. Günther Oettinger ist ein Mann der Atomindustrie. Am 30. September 2009, drei Tage nach der Bundestagswahl, schickte er als damaliger baden-württembergischer Ministerpräsident zusammen mit seinem hessischen Kollegen Roland Koch (CDU) das bis dahin geheim gehaltene "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie" an Bundeskanzlerin Merkel und die Parteichefs Seehofer (CSU) sowie Westerwelle (FDP).
Das war der Grundstein für die kürzlich verabschiedeten Atomgesetze und die Laufzeitverlängerung der AKWs. In dem Papier wird auch vorgeschlagen, Gorleben per "Einzellfallgesetz" (S. 24) als geeigneten Endlagerstandort festzulegen, um langwierige Verfahren zu umgehen. Das ist sogar nach dem Grundgesetz verboten (Artikel 19, Verbot des Einzelfallgesetzes).
Bereits vor Amtsantritt Anfang 2005 wirkte Oettinger darauf hin, dass die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) sich für rund 800 Millionen Euro 45 Prozent der Anteile an Deutschlands drittgrößtem Energiekonzern EnBw sicherten. Träger der OEW sind neun Landkreise, die damit neben dem französischen Staatskonzern EdF Hauptaktionär bei EnBw wurden. EnBw ist unter anderem Betreiber von Neckarwestheim 1, dem zweitältesten, störanfälligsten Reaktor in Deutschland.
Im Jahr 2007 bezog EnBw nach internen Unterlagen, die Greenpeace veröffentlichen konnte, führende CDU-Politiker wie Oettinger, den damaligen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Fraktionschef Volker Kauder in seine Strategie ein, durch gezielte Drosselung der Stromproduktion auf jeden Fall eine Verlängerung der Laufzeit bis 2010 zu ermöglichen (das Kernkraftwerk hätte Mitte Juli 2009 abgeschaltet werden müssen). Neckarwestheim ist bis heute nicht stillgelegt.
Im "Atomkonsens" des Jahres 2000 ist festgelegt, wie viel Strom die deutschen AKW noch produzieren dürfen. Produziert ein AKW weniger Strom als normal, so verlängert sich die Laufzeit. Die Stromproduktion in Neckarwestheim wurde von 6,3 Terrawattstunden Strom 2006 auf 3,8 Terrawattstunden im Jahr 2008 gesenkt. Oettinger sitzt übrigens auch im "Kuratorium" des Basketball-Bundesligisten Ludwigsburg, der vom Energiekonzern EnBW gesponsort wird. Ein EnBW-Vorstand sitzt mit Oettinger im Kuratorium. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
Auf zur Demonstration am kommenden Samstag also - von 13 bis 16 Uhr findet vor den Toren Dannenbergs die Kundgebung statt. X-tausendfacher aktiver Widerstand gegen die mörderische Atompolitik ist das Gebot der Stunde!