Politik

Die "Rente mit 67" muss fallen!

Die "Rente mit 67" muss fallen!
Demonstration in Stuttgart am 13. November (rf-foto)

14.11.10 - Ungeachtet der Demonstrationen von 100.000 gegen die Berliner Sozialpolitik am Samstag und immer katastrophaleren Umfragewerten meint Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit dem Mut der Verzweiflung: "Die Bundesregierung hält an der beschlossenen Anhebung der Regelaltersgrenze (auf 67 Jahre) fest." Der Rentenbericht, den sie am Mittwoch vorlegen wird, hat den provokanten Titel "Aufbruch in die altersgerechte Arbeitswelt".

Diese "altersgerechte Arbeitswelt" sieht so aus, dass jeder vierte Beschäftigte nicht einmal das Rentenalter erreicht. In den Betrieben ist eine erschreckende Zunahme schwerer Erkrankungen oder Todesfälle gerade in der Altersgruppe der 55- bis Anfang 60-Jährigen festzustellen, sofern es überhaupt noch Beschäftigte in diesen Altersgruppen gibt.

Betrügerischerweise behauptet das Bundesarbeitsministerium, die "Erwerbstätigenquote" der 60- bis 65-jährigen liege heute schon bei 41 Prozent. Aber die "Erwerbstätigenquote" umfasst auch Selbstständige, Freiberufler und Beamte, die gar nicht in die Rentenkasse zahlen. Die tatsächliche Beschäftigtenquote liegt nach Berechnungen des DGB bei den 55- bis 64-Jährigen nur bei 23 Prozent, 513.012 Menschen dieser Altersgruppe sind offiziell arbeitslos. Die Arbeitslosenquote liegt in dieser Altersgruppe mit 8,4 Prozent deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung (7,0 Prozent).

Ein Jahr vor dem geplanten Einstieg in die Rente mit 67 Jahren sind schätzungsweise 145.500 Menschen zwischen 60 und 64 Jahren arbeitslos. Dreist behauptet Frau von der Leyen: "Die Zahl der Älteren ohne Job ist in Wirklichkeit nicht gestiegen, sondern die Statistik muss seit 2007 nur ehrlicher sein... Wir werden immer älter und immer weniger. Da gibt es nach Adam Riese nur drei Möglichkeiten: Die Rente kürzen, die Beiträge für die Jungen drastisch erhöhen oder etwas länger zu arbeiten."

Der im 15. Jahrhundert lebende Adam Ries (nicht Riese!) gilt als "Vater des modernen Rechnens" und würde sich wohl im Grabe herumdrehen, könnte er die Manipulationen mit der Arbeitslosenstatistik verfolgen. Sogar auf der Homepage der "Tagesschau" ist nachzulesen, dass die tatsächliche Arbeitslosenzahl nach zahlreichen Änderungen der Berechnungsmethoden nur geschätzt werden und nicht einmal international verglichen werden kann (www.tagesschau.de: "Was die offizielle Statistik verbirgt"). Die Rechentricks der Bundesregierung können nicht davon ablenken, dass die Anhebung des Renteneintrittsalters nur das Ziel verfolgt, für die Unternehmerprofite massiv die Renten kürzen zu können. In der Hälfte aller Betriebe arbeiten nur Beschäftigte unter 50 Jahren.

Die SPD-Spitze, in der Großen Koalition Mitinitiator der Rente mit 67, will sich nun damit aus der Affäre ziehen, dass sie einer Rente mit 67 nur zustimmen will, wenn die Hälfte der 60- bis 65-Jährigen "beschäftigt" sei. Bereits die unter SPD-Kanzler Schröder eingeleiteten Rentenkürzungen zwingen viele Werktätige, länger zu arbeiten als sie es gesundheitlich eigentlich können. Ende 2009 sind 775.000 Menschen über 65 einer "geringfügigen Beschäftigung" nachgegangen, um ihre zu geringe Rente aufzubessern. Das sind 30 Prozent mehr als 2003. Die Altersarmut nimmt zu, insbesondere bei Frauen. Bereits 2007 betrug die durchschnittliche Rente für Frauen mit 468 Euro im Monat die Hälfte der Rente bei Männern. (IG-Metall-Studie).

Von den Unternehmerverbänden über die "schwarz-gelbe" Regierung bis zu den SPD-Größen Sigmar Gabriel oder Andrea Nahles wird ungeachtet aller Fakten die "steigende Lebenserwartung" zum Problem erklärt. Das offenbart den ganzen menschenfeindlichen Charakter der kapitalistischen Gesellschaft. Frau von der Leyen mag noch so energisch die Rechenkünste von Adam Ries beschwören, sie wird nichts daran ändern, dass der Kampf gegen die Rente mit 67 auf den Fahnen der Arbeiter- und Volksbewegung steht. Die bundesweiten Montagsdemonstrationen morgen werden auch in dieser Frage ebenso deutliche Zeichen für einen heißen Herbst setzen wie die Massendemonstrationen gestern.