Politik

Fast 20.000 bei Demonstration in Stuttgart gegen Polizeigewalt am 30. September - "Wir klagen an! Raus mit der Wahrheit!"

Fast 20.000 bei Demonstration in Stuttgart gegen Polizeigewalt am 30. September - "Wir klagen an! Raus mit der Wahrheit!"
Transparent bei der Großdemonstration "Wir klagen an!" am 20.11.2010 in Stuttgart

21.11.10 - 400 Verletzte, davon vier schwer  – das ist die Bilanz des Polizeieinsatzes am Donnerstag, dem 30. September, gegen friedlich demonstrierende "S21"-Gegner in Stuttgart. Die Polizei ging äußerst brutal vor, attackierte alles, was ihr vor Wasserwerfer und Pfefferspray kam. Ein ganzes Bundesland musste eine neue Erfahrung verarbeiten: am 30. September zeigte der bürgerliche Staat, was er von Demokratie hält. Rentner, Frauen, Kinder, Schüler … das Volk - dessen Interessen die Regierenden angeblich repräsentieren - wurde niedergeknüppelt, als es sich den Profitinteressen der Immobilienspekulanten in den Weg stellte. Bis heute, zwei Monate später, ist nicht aufgeklärt, wer den Befehl zu diesem Einsatz gab. Feige versuchen sich die politischen Größen der schwarz-gelben Landesregierung Baden-Württembergs aus der Verantwortung zu stehlen.




Stuttgarter Pflastersteine Ohne Worte!  Baummädchen
Stuttgarter Pflastersteine
Ohne Worte
 Parkschützerin

Dem haben sich etwa 18.000 Menschen gestern in Stuttgart entgegen gestellt (zu zunächst in "rf-news" genannte Zahl von 40.000 Teilnehmern war überhöht, wir bitten die Fehleinschätzung zu entschuldigen - Anm. der Red.). Sie waren dem Aufruf des Bündnisses von  Parkschützern, der Jugendoffensive, des Bündnisses für das Versammlungsrecht und "Bei-Abriss-Aufstand" gefolgt, das unter dem Motto "Schwarzer Donnerstag - Wir klagen an! Raus mit der Wahrheit!" zur Großdemonstration aufgerufen hatte.

Schon bei der Auftaktkundgebung griffen die Redner die Landesregierung an. Florian Toniutti von der Jugendoffensive gegen "S21" erhielt tosenden Beifall für die Forderung nach Rücktritt von Ministerpräsident Mappus, "aber nicht erst bei der Wahl, sondern sofort!" Er berichtete davon, Jugendliche aus der ganzen Bundesrepublik nach Stuttgart zu bringen. Weiter stellte er zwei Punkte heraus: Demonstrationen allein reichen nicht, es muss mehr Aktionen des "zivilen Ungehorsams" geben und die Bewegung gegen "S21" müsse sich mit Streiks in den Betrieben verbinden: "Dann trifft es die Konzernchefs an ihrem Profit".

Diese Auseinandersetzung zeigt eine neue Qualität der Verarbeitung des Widerstands gegen "Stuttgart 21". Soll man sich an den von den Herrschenden vorgegebenen Rahmen halten oder wird der aktive Widerstand organisiert? Dass es einen Übergang zum aktiven Widerstand geben muss, ist nicht unumstritten. Die so genannten Schlichtungsgespräche unter dem CDU-Politiker Heiner Geißler, die gerade jede Woche stattfinden, sollen dem Widerstand den Wind aus den Segeln nehmen. Die gestrige Demonstration war ein Signal gegen diese versuchte Vereinnahmung der Widerstandsbewegung.

Die Demonstration war bunt und einfallsreich, angriffslustig und witzig. Auf vielen selbst hergestellten Plakaten und Schildern wurden die Ereignisse des 30. September aufgegriffen. "Mappus weg!" war allgegenwärtig.

Traditionell gibt es bei den Demonstrationen gegen "Stuttgart 21" das offene Mikrofon, das die MLPD unter ihrem Transparent organisiert. Hier wurden verschiedene Themen der Widerstandsbewegung diskutiert. Der Gedanke an ein Tribunal als vertiefende Auseinandersetzung über die Vorgänge am "Schwarzen Donnerstag" fand breite Zustimmung, auch wenn der Begriff "Tribunal" teilweise eine Erläuterung brauchte. Unter anderem spielte auch eine Rolle, dass der Betriebsratsvorsitzende von Porsche, Uwe Hück, zunächst am gleichen Tag bei den "Stuttgart 21"-Befürwortern sprechen wollte, was er sich dann allerdings doch noch anders überlegte. Nicht ganz 1.000 Befürworter hatten sich um 5 vor 12 auf dem Schlossplatz versammelt.

Volker Zintgraf, Kreisvorsitzender der MLPD Stuttgart, nutzte das offene Mikrofon, um die Delegierten der Linkspartei zu begrüßen. Sie hatten ihren Landesparteitag gestern in Stuttgart und unterbrachen diesen, um ihre Solidarität mit den Gegnern von "Stuttgart 21" auszudrücken. Ganz zum Thema des Tages passte seine Einladung zur Initiativgruppe der MLPD "Kein Stuttgart 21 – Wir denken weiter, als es der Kapitalismus zulässt!", die sich am Freitag, dem 26. November 2010, in der Kellerschenke im DGB-Haus trifft. Thema: "Volksabstimmung? Vorbereitung eines Tribunals: Angeklagt – die Verantwortlichen und Hintermänner des Staatsterrors am 30. September!"

Filmmaterial über den brutalen Polizeieinsatz am 30. September 2010 in Stuttgart