Politik
Eine Milliarde Menschen ohne jede medizinische Versorgung
23.11.10 - Gestern wurde in Berlin von der Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, der 100 Seiten umfassende Weltgesundheitsbericht vorgestellt. Die Fakten über den Zustand der Weltgesundheit sind eine erschütternde Anklage gegen die Weltherrschaft des Imperialismus. Vor zehn Jahren setzte die UNO beim so genannten "Millenniums-Gipfel" das Ziel, dass bis 2015 die extreme Armut und der Hunger, die Sterblichkeit von Millionen Kindern und Müttern, die Seuchen Aids und Malaria zumindest zu großen Teilen erfolgreich bekämpft sein sollten. Diese Ziele wurden bislang nicht nur verfehlt, die Situation hat sich dramatisch verschlechtert.
Während seit 2008 weltweit über 23 Billionen US-Dollar für Konjunkturmaßnahmen zugunsten der Monopole in der Weltwirtschaftskrise ausgegeben wurden, müssen 5,6 Milliarden Menschen in Ländern mit mittleren und unteren Einkommen für über die Hälfte ihrer Gesundheitsversorgung selbst aufkommen. Dadurch werden laut WHO jährlich über 100 Millionen Menschen neu in die Armut getrieben.
Das betrifft nicht nur Entwicklungsländer. In den USA hat die private Überschuldung von Millionen Menschen vor allem diese Ursache. Auch in Griechenland, Portugal, Polen und Ungarn müssen die Menschen direkt für ihre medizinische Versorgung bezahlen. Die WHO kritisiert in dem Bericht auch Gesundheitsminister Philipp Röslers "Vorkasse-Tarife", die in dieselbe Richtung weisen.
Jeder dritte Mensch hat keine sichere Versorgung mit den notwendigsten Medikamenten. Eine Milliarde Menschen ist sogar von jeglicher medizinischer Versorgung ausgeschlossen. Weltweit erhalten 42 Prozent der Frauen, die schwanger sind, keinerlei medizinische Hilfe.
"Für viele Menschen gibt es schlicht keine Gesundheitsleistungen, andere können sie sich nicht leisten", sagte WHO-Direktor David Evans. Trotz enormer Fortschritte auf wissenschaftlich-technischem Gebiet gerade in der Medizin hat sich die Lage für Menschen in den Entwicklungsländern in den vergangenen 40 Jahren stark verschlechtert. War die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind vor seinem 5. Geburtstag sterben wird, 1950 in den Entwicklungsländern 3,4-mal so hoch wie in Europa, so erhöhte sich der Unterschied bis heute fast auf das Zehnfache. Die Differenz der Lebenserwartung in reichen und armen Ländern beträgt heute mehr als 40 Jahre, obwohl die Gesundheitsausgaben allein in den fünf Jahren von 2000 bis 2005 weltweit um 35 Prozent zugenommen haben.
Die internationalen Pharmakonzerne streichen hier Riesenprofite ein, die Privatisierung des Gesundheitswesens ist zu einer gewinnträchtigen Anlage für das überschüssige Kapital der internationalen Monopole geworden. 70 Milliarden US-Dollar werden jährlich weltweit im Gesundheitssektor für Forschung und Entwicklung ausgegeben – nur 10 Prozent davon für Gesundheitsprobleme von 90 Prozent der Weltbevölkerung, wie Forschungen zu Malaria oder Tuberkulose.
Bei der Berichterstattung über den WHO-Bericht in den bürgerlichen Medien wird vor allem das Fehlen von Krankenversicherungen in vielen Ländern hervorgehoben und der Blick auf "mehr Effizienz" und zu "erschließende Einnahmequellen" gerichtet, um die Gesundheitsversorgung zu finanzieren. Damit soll die tatsächliche Lage beschönigt und eine Steilvorlage für die Gesundheitspolitik von Minister Rösler und die geplanten Verschlechterungen gegeben werden (mehr zu Röslers Gesundheitsreform hier).