Wirtschaft
Euro-Krise - und kein Ende abzusehen ...
27.11.10 - Von einem "Aufschwung wie aus dem Bilderbuch" sprach Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am Donnerstag im Bundestag. Man müsste wohl eher sagen, "wie aus dem Märchenbuch", denn in der Realität wird immer deutlicher, auf welch wackligen und spekulativen Beinen die relative Belebung der deutschen Wirtschaft steht. Denn mit dem geplanten 85-Milliarden-Euro-Paket für Irland ist die Krise des Euro und des damit verknüpften Währungsraums keineswegs beendet. Sie entfaltet sich auf dem Boden der gegenwärtigen Phase der Depression innerhalb der Weltwirtschafts- und Finanzkrise und kann diese erneut sprunghaft vertiefen.
Obwohl gerade die Staatsanleihen und Staatshaushalte der am meisten gefährdeten EU-Länder durch die Milliarden für Irland stabilisiert werden sollten (siehe "rf-news" vom 22.11.), geraten diese nun weiter unter Druck. Die portugiesische Regierung hat in vorauseilendem Gehorsam bereits ein nie da gewesenes Krisenprogramm für 2011 geschnürt: Unter anderem sollen die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst um 5 Prozent gekürzt und die Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent angehoben werden (siehe "rf-news"-Meldung). Die Arbeiter und Angestellten haben darauf mit dem bisher größten Generalstreik des Landes geantwortet.
Dennoch setzen die EZB und führende EU-Länder nun auch Portugal unter Druck, Euro-Milliarden aus dem "Rettungsschirm" in Anspruch zu nehmen und sich dafür dem Diktat des EU-Krisenmanagements unterzuordnen. Beim herrschenden Finanzkapital wächst vor allem die Angst, dass als nächstes auch Spanien Finanzhilfen benötigt, dessen Wirtschaftsleistung und Verschuldung ein mehrfaches derjenigen Griechenlands und Irlands beträgt. Die Zinsen für zehnjährige spanische Schuldpapiere stiegen Ende der Woche auf ein Rekordhoch von knapp 5,3 Prozent - gut das Doppelte von dem, was Deutschland für seine Anleihen zahlen muss. Und es wird bereits spekuliert, ob möglicherweise auch Italien, Slowenien und die Slowakei EU-Hilfen benötigen.
Angesichts dessen nehmen hektische Ratschläge bürgerlicher Ökonomen und Politiker zu. Bundesbankpräsident Axel Weber forderte eine weitere Aufstockung des EU-"Rettungsschirms", andere wollen gar eine "unbegrenzte Garantie" für Schulden der EU-Länder. Auch von gemeinsamen Euro-Anleihen ist die Rede, um Spekulationen gegen die Staatsanleihen einzelner Länder zu begegnen.
Der Effekt ist in allen Fällen nur eine noch engere Verflechtung des EU-Finanzsystems. Die zugrunde liegende Gesetzmäßigkeit wird dadurch noch verstärkt. Dazu heißt es in der Broschüre "Bürgerliche politische Okonomie vor dem Scherbenhaufen": "Das staatliche Krisenmanagement überträgt die allgemeine Krisenanfälligkeit der imperialistischen Weltwirtschaft auf die Staatshaushalte und erzeugt die chronische Gefahr eines allgemeinen Staatsbankrotts." (S. 32)
Bei aller Ratlosigkeit über den Ausweg aus diesem Dilemma sind sich die europäischen Regierungen in einem einig: Die Kosten für das staatliche Krisenmanagement sollen die breiten Massen berappen. Dass diese sich das nicht kampflos gefallen lassen, ist den europäischen Politikern bewusst. Deshalb wird versucht, nationalistische und chauvinistische Stimmungen zu schüren. Nicht nur "die Griechen", auch "die Iren" und "die Portugiesen" hätten "über ihre Verhältnisse gelebt". Es sind aber die kapitalistischen Verhältnisse, die dafür sorgen, dass den gigantischen Milliardensummen für die Banken und Konzerne wachsende Ausbeutung und Armut der breiten Massen gegenüber stehen.
Die inzwischen in immer mehr Ländern geführten Generalstreiks und Demonstrationen - heute demonstrierten mehr als 70.000 in Dublin und fast 200.000 in Rom - setzen die Notwendigkeit einer europaweiten Koordinierung und Revolutionierung dieser Kämpfe auf die Tagesordnung, um die Spaltung zu überwinden, die gemeinsame Kraft zu bündeln und sie an der Perspektive vereinigter sozialistischer Staaten der Welt zu orientieren.