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Frank Oettler seit Freitagabend wieder als Straßenbahnfahrer bei der HAVAG
28.11.10 - Am Mittwoch erklärte das Arbeitsgericht Halle/Saale die zweite fristlose Kündigung des ehemaligen Betriebsrats und Verdi-Vertrauensmanns Frank Oettler durch die Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) für unwirksam und ordnete die sofortige Weiterbeschäftigung an. Mit großem Hallo und Begrüßungen auf der Tour wurde der Straßenbahnfahrer Frank Oettler von seinen Kollegen gefeiert. "Das war überwältigend schön. Ich fühle mich, als würden alle Feste eines Jahres, die Geburtstage der Familie, Weihnachten und Silvester auf diesen Tag fallen", so Frank Oettler gegenüber "rf-news" nach seiner gefahrenen Schicht.
Und es war höchste Eisenbahn. In der kommenden Woche wäre seine Zulassung als Straßenbahnfahrer abgelaufen. Die Geschäftsleitung der HAVAG zog es jetzt vor, einer weiteren Eskalation angesichts bevorstehender Entlassungen, Linienstreichungen, Taktzeitverlängerungen und steigender Fahrpreise erst einmal aus dem Wege zu gehen.
Am 8. März 2008 wurde Frank Oettler erstmals fristlos gekündigt. Die "Begründung":
- Aufbewahrung der Wochenzeitung der MLPD "Rote Fahne" am Seitenfenster der Fahrerkabine - Frank Oettler hatte sie wie jede andere Zeitung auch in der Pause gelesen;
- Verfassen und Verteilen von Flugblättern, die "das Ansehen der HAVAG schmälern" - tatsächlich handelte es sich Flugblätter, die seine Kündigung anprangerten, die er in seiner Freizeit außerhalb des Unternehmens verteilte;
- Vorwurf der "verschärften Ausbeutung der Kollegen" in einem Zeitungsinterview mit der "Mitteldeutschen Zeitung" vom 28.12.2007.
Das Kündigungsschutzverfahren zog sich durch alle Instanzen und endete mit einem Sieg im März 2010: Das Gericht sprach sich gegen die Beschneidung der freien Meinungsäußerung aus. Noch während des Verfahrens wurde die zweite politische Kündigung gegen Frank Oettler ausgesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, er dürfe als Beschäftigter die Unternehmensleitung nicht kritisieren und entsprechende Informationsblätter außerhalb des Unternehmens nicht verteilen. Dieses Mal stimmte gar eine Mehrheit des Betriebsrates der Kündigung zu. Als Straßenbahnfahrer kommt das einem Berufsverbot gleich!
Aber Frank Oettler hat sich nicht unterkriegen lassen und für seine aufrechte Haltung weiterhin breiteste Solidarität bekommen. Der Solidaritätskreis "www.kollegenhilfe.net" organisierte mehrfach Protestkundgebungen in der Stadt Halle/Saale und vor den verschiedenen Gerichten sowie starke Begleitungen bei den Prozessterminen. Daran beteiligten sich zunehmend auch Abordnungen der Montagsdemos aus umliegenden Städten.
Als Bundes- und Landtagskandidat der MLPD/Offene Liste war ihm die volle Solidarität der MLPD und des Jugendverbandes REBELL gewiss. Die Rotfüchse aus Halle/Saale schickten dem HAVAG-Vorstand ein Protestschreiben. Die Online-Zeitung "www.halleforum.de" sorgte für eine weitgehend sachliche Information in der Halleschen Bevölkerung. Die "Stimme von und für Elbe-Saale" (Landeszeitung der MLPD in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) berichtete vom Stand des Verfahrens und rief zu den verschiedenen Aktionen auf.
"Ich verkaufe meinen Arbeitsplatz und meine Selbstachtung nicht", hatte Frank Oettler mehrfach in den Prozessen betont, als ihm HAVAG-Vertreter Geld anboten. Einige Kollegen legten Frank Oettler nahe, dieses "Angebot" doch anzunehmen: "Die werden dich über kurz oder lang rausmobben. Dann lieber das Geld als die ungewisse Zukunft." Doch es waren gerade seine Unbeugsamkeit in Verbindung mit der breiten Solidarität, von der die größte Ausstrahlungskraft in der Öffentlichkeit und damit auch ein zunehmender politischer Druck ausgingen.
Die "rf-news"-Redaktion gratuliert Frank Oettler und wünscht ihm in seinen nun nachzuholenden 40 Tagen Urlaub für 2008 und 2009 gute Erholung und viel frische Kraft für die kommenden Zeiten.