Betrieb und Gewerkschaft

Brüssel und Bundesregierung auf Rückzug vor den Bergleuten?

03.12.10 - Wie gestern bekannt wurde, hat die belgische Ratspräsidentschaft der Europäischen Union ein Papier erarbeitet, welches das Jahr 2018 als Auslaufdatum für den deutschen Steinkohlebergbau nennt. Darüber wurde die Öffentlichkeit heute informiert. Der genaue Text ist noch nicht bekannt. Das Papier wurde auf Anweisung des Generalsekretariats der EU-Kommission erstellt und soll voraussichtlich am nächsten Mittwoch und Freitag den zuständigen Ministerräten der EU zur Entscheidung vorgelegt werden.

Noch im Sommer hatte dieselbe Kommission deutlich erklärt, dass im Jahr 2014 des vertraglich vereinbarten Ende des subventionierten Bergbaus zu erfolgen hätte. Das hat auf den Steinkohlezechen in Deutschland für große Unruhe gesorgt, zumal die Bergarbeiterzeitung "Vortrieb" aufgedeckt hatte, dass alle deutschen Regierungen sich schon seit 2003 mit der EU auf die Schließung des Bergbaus 2014 verständigt hatten. Im Jahr 2007 verabschiedeten sie aber aus Angst vor einem Massenkampf der Bergarbeiter ein Steinkohlenfinanzierungsgesetz, das eine Schließung bis 2018 vortäuschte. Es war auf Betreiben der SPD mit einer Revisionsklausel verbunden, 2012 noch einmal den Ausstieg zu überprüfen.

Während damit die Kumpel ruhig gehalten werden sollten, wurde hinter ihrem Rücken auf eine frühere Liquidierung der Arbeitsplätze der Kumpel hingearbeitet. Der Betrug platzte im Juni dieses Jahres, als die EU auf die getroffene Vereinbarung pochen wollte und damit Massenentlassungen drohten. Die Empörung schlug Wellen und die Diskussion auf den Pütts im Saarland und Nordrhein-Westfalen nahm mit Unterstützung der MLPD-Betriebsgruppen die Richtung, Kampfmaßnahmen zu ergreifen.

Die Angst davor, dass die Kumpel nach 1997 wieder einen Massenstreik beginnen, ließen Regierung und die Mehrheit der EU-Ratsfraktion zurück rudern. Mitte August meldete EU-Komissar Oettinger, man könne "über das Enddatum noch mal reden". Die Bundesregierung hat für ein Entgegenkommen der anderen Länder der EU die Revisionsklausel über Bord geworfen. Gegen weitere Zugeständnisse war dann die Mehrheit der EU-Regierungen bereit, 2014 als Enddatum aufzugeben - bis auf  Dänemark, Schweden und Italien.

IGBCE-Chef Michael Vassiliadis wurde Mitte September auf außerordentliche Betriebsversammlungen zu allen Zechenstandorten geschickt. Er konnte die Kumpel nur bedingt beruhigen, indem er ankündigte, dass, wenn die Kumpel kein Gehör finden und die EU an 2014 festhält, die IGBCE-Führung zu einem "Marsch auf Berlin" oder auf Brüssel, verbunden mit Arbeitsniederlegungen auf den Zechen, aufrufen wird.

Das EU-Parlament hat sich für 2018 ausgesprochen, was aber keine bindende Wirkung hätte. Bei einer Entscheidung der Kommission und Ministerräte der EU bis 2018 wäre das ein Teilerfolg, den die Kumpel für sich verbuchen können und der auf das Konto der Wachsamkeit und Initiative der kämpferischen Bergarbeiterbewegung geht. Wachsamkeit ist weiter geboten und deshalb schauen die Kumpel gespannt auf die nächste Woche.

Die Diskussion geht aber weiter: Warum soll überhaupt die Liquidierung des Bergbaus in Deutschland und vielen europäischen Ländern akzeptiert werden - weder 2014, noch 2018?! Kohle ist zu wertvoll als  Ausgangsprodukt zur Weiterverarbeitung für Rohmaterialien und Werkstoffe, statt sie massenhaft zu verbrennen. Und das muss im Interesse künftiger Generationen sein und der Arbeitsplätze und der Existenzgrundlage für Hunderttausende von Kumpel sowie vom Kohlebergbau abhängigen Beschäftigten und ihren Familien.