Politik

"Stuttgart 21" - Ein Schlichterspruch, der die Fronten klärt

01.12.10 - Theatralisch verkündete der von der baden-württembergischen Landesregierung eingesetzte Vermittler Heiner Geißler (CDU) seinen sogenannten Schlichterspruch: Stuttgart 21 soll gebaut werden! Und dafür war wochenlang verhandelt worden. Was Geisler als gelungenes "Demokratie-Experiment" lobt, ist nur eine neue Variante des Kniefalls vor den Interessen der internationalen Monopole, die sich Milliardenprofite von dem Projekt erhoffen. Um zumindest den Anschein eines "Ausgleichs" zu erwecken, schlägt Geißler verschiedene "Nachbesserungen" vor wie unter anderem den Nachweis der Bahn, dass der geplante Durchgangsbahnhof zu Stoßzeiten dennoch leistungsfähiger als der jetzige Kopfbahnhof ist.

Der Schlichterspruch kann für die Protestbewegung in keiner Weise bindend sein. Er setzt sich genauso wie seit Jahrzehnten die Landesregierung und der Bahnvorstand diktatorisch über den erklärten Mehrheitswillen der Bevölkerung hinweg. Ob weitere der Bahn "empfohlene" Maßnahmen in Bezug auf die Sicherheit in Tunnel und Tiefbahnhof überhaupt nötig wären, relativierte denn auch umgehend Bahnchef Rüdiger Grube. Während die Bahn bei den Gesprächen überhaupt keinen praktikablen Fahrplan vorlegen konnte, will sie nun einen simulierten "Stress-Test" mit einer 30 prozentigen Steigerung in der Hauptverkehrsstunde nachliefern.

Um die Kröte des Tiefbahnhofes mit zehnjähriger Baugrube und jetzt schon massiven Störungen des S-Bahnverkehrs genießbar zu machen, wollen Ministerpräsident Stefan Mappus und Oberbürgermeister Wolfgang Schuster nun das auf dem heutigen Gleisvorfeld geplante 100 Hektar große Rosensteinviertel in eine Stiftung einbringen. Angeblich um ein vor Spekulation geschütztes ökologisches und soziales Stadtviertel zu schaffen, durch das sich dann irgendwie noch eine kleine Frischluftschneise schlängeln soll. Dabei sind bereits heute zusätzlich zu den schon vorhandenen Bankpalästen zwei neue Hochhäuser dort genehmigt und ein gigantisches Einkaufscenter mit 3.000 Parkplätzen auf Kosten des jetzigen Einzelhandels geplant.

Schlichter Geißler enttäuschte auch die stillen Hoffnungen Zehntausender bitter. Ob und wieweit er dabei mit seinem "Stuttgarter Modell" das beklagte "Misstrauen gegen Politik und Wirtschaft" eindämmen konnte, bleibt mehr als zweifelhaft. Wie wenig sich an der "Arroganz der Mächtigen" geändert hat, machte Ministerpräsident Mappus mit seinem Auftritt gestern deutlich. Ihm war schon völlig  klar, dass der "Stress-Test" zeigen würde, dass keine Nachbesserungen und damit auch Mehrkosten anfallen würden. Deshalb sehe er auch nicht den geringsten Grund für einen Baustopp.

Verlauf wie Ergebnis der "Schlichtung" haben deutlich unterstrichen, dass "Stuttgart 21" nur durch die Steigerung des aktiven Widerstands mit Großdemonstrationen, Blockaden, der Verbindung von kämpferischer Arbeiterbewegung und Volksbewegung zu Fall gebracht werden kann. Am gestrigen Abend fand nach der 54. Montagsdemo mit als 11.000 Teilnehmern schon die zweite Demonstration gegen "S21" in dieser Woche statt. Und kommenden Samstag, 4. Dezember, um 14 Uhr findet die "Demo zum Schlichterspruch" statt, auf der auch Redner der ganzen Bandbreite der Prostestbewegung zu Wort kommen müssen und für die bereits breit mobilisiert wird.