Politik
Prozess gegen den Widerstand gegen "Stuttgart 21": Eine Lehrstunde in Sachen bürgerliche Justiz
Stuttgart (Korrespondenz), 08.12.10: Am 7. Dezember fand vor 140 Besuchern der Prozess gegen den Aktivisten von "Robin Wood", Benjamin Tobias Meyer, vor dem Stuttgarter Amtsgericht wegen angeblichem Hausfriedensbruch am 30.8.2010 statt.
Er hatte damals mit drei anderen Aktivisten einen Abrissbagger am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs zeitweilig besetzt. Die Richterin lehnte es ab, das Verfahren einzustellen. Dabei stand es selbst noch bürgerlichem Recht auf dubioser Grundlage. So konnte der Nachweis, ob überhaupt der Strafantrag rechtens war, nicht erbracht werden. Diesen hatte der Baukonzern Wolf+Müller als Betreiber des Abrisses des Nordflügels gestellt. Zum Zeitpunkt der Baggerbesetzung durch "Robin Wood"-Aktivisten wäre aber die "Netz AG" der Deutschen Bahn allein zu einem Strafantrag fähig gewesen, da sie damals das Hausrecht hatte. Ein solcher Strafantrag lag aber zum Gerichtstermin nicht vor.
Die Zeugen, drei Polizeibeamte, konnten sich bei der Vernehmung nicht daran erinnern, dass der Angeklagte über den Bauzaun geklettert sei. Trotzdem ging Staatsanwalt Häusler in seinem Schlussplädoyer davon aus, dass es sich bei der Aktion am 30.8. um eine "vorbereitete, abgesprochene Aktion" gehandelt hätte, zumal die Angeklagten ein Transparent mit der Aufschrift "Hallo, geht's noch?" am Bagger aufgehängt und über Funkgeräte verfügt hätten. Dem folgte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung: Tobias Meyer wurde zu 30 Tagessätzen zu je 10 Euro und zur Bezahlung der Gerichtskosten verurteilt.
Viel Beifall für den Angeklagten für sein Schlusswort, in dem er die politische Bedeutung dieses Verfahrens auf den Punkt brachte, als er seine Aktion als legitim bezeichnete und davon sprach, dass ein solches Urteil den Widerstand gegen "Stuttgart 21" brechen soll.