Betrieb und Gewerkschaft
Recht auf freie Meinungsäußerung und Information durchgesetzt
Troisdorf (Korrespondenz), 23.12.10: Am frühen Morgen des 22. Dezember hat Jörg Hoffmann von der Securitas GmbH, Werkschutzleiter der Mannstaedt-Werke in Troisdorf, einen Polizeieinsatz provoziert. Die Verteiler des "Stahlkocher", einer Kollegenzeitung aus den Stahl produzierenden und verarbeitenden Betrieben in Deutschland, sollten nach seiner Meinung das Verteilen auf den öffentlich zugänglichen Gehwegen vor dem Tor unterlassen. Das sei Betriebsgelände.
Mit einem Urteil aus 9/2010 in einem ähnlich gelagerten Fall vor einem Boschwerk wollte er sich erst gar nicht befassen. Dass die freie Meinungsäußerung in Wort und Schrift ein Grundrecht ist, wusste er nur mit einem "das interessiert mich nicht" zu quittieren. Als sein Drängen und Drohen ("wir können auch anders") keinen Erfolg hatte, ließ er die Polizei anrücken.
Polizeioberkommissar Janiels hat sich der Sache sehr gründlich angenommen: nach ca. 25 Minuten Recherche kam er zum gleichen Standpunkt, den die Verteiler bereits praktizierten: Die Meinungsfreiheit sei ein "Grundrecht, das in Deutschland sehr hoch angesiedelt ist – und das ist auch gut so". Das ginge auf jeden Fall vor, auch wenn das öffentlich zugängliche Gelände den Mannstaedt-Werken gehöre. Auch das Verteilen an PKW-Insassen sei nicht zu beanstanden, wenn der Fahrer sich zum Anhalten entschließe. Über 90 Prozent der Kollegen nahmen den "Stahlkocher" mit und ihre Informationsfreiheit wahr – auch während der ganzen Auseinandersetzung.
Wie Kollegen berichteten, war es nicht das erste Mal, dass der Werkschutzmann sich gegen das demokratischen Recht der Belegschaft auf Information stellte. So sollte Anfang November ein Gewerkschaftsvertreter und Betriebsrat daran gehindert werden, einen Aufruf der Gewerkschaft zur Demonstration gegen die Rente mit 67 zu verteilen.
Die Verteiler des "Stahlkocher" können sich kaum vorstellen, dass der Werkschutz ohne Auftrag oder Wissen der Geschäftsleitung gegen das Informationsrecht vorgeht. Kollegen berichteten auch, dass in der Belegschaft eine wachsende Unzufriedenheit besteht, weil eine zugesagte Sonderzahlung bisher nicht ausgezahlt wurde, während gleichzeitig die Arbeitsintensität wächst. Im Kampf für ihre Interessen brauchen die Arbeiter das Recht auf Informationsfreiheit.
Die Verteiler haben die Erwartung, dass in Zukunft solche Schikanen unterbleiben. Die Polizei will jedenfalls erst wieder kommen, "wenn Sie eine gerichtliche Entscheidung vorweisen können", so POK Janiels zum Werkschutzleiter. Und "das dürfen Sie sich angesichts der Sachlage nicht so einfach vorstellen".