Politik

Immer mehr Kommunen mit "Nothaushalt"

30.12.10 - Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) zog jetzt eine verheerende Bilanz der Entwicklung der kommunalen Haushalte für 2010. Danach befinden sich die Kommunen "in der schwersten Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik". Zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft in diesem Jahr ein Haushaltsloch von 11 Milliarden Euro – so viel wie noch nie. Auch für 2011 erwartet der Städte- und Gemeindebund ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe. Hauptkostentreiber seien die "explodierenden Sozialausgaben". Diese steigen jedoch nicht insgesamt - im Gegenteil. Vielmehr wird von Bund und Ländern ein immer größerer Anteil auf die Kommunen abgewälzt.

Rund 41 Milliarden Euro müssen sie dafür im laufenden Jahr aufbringen. Vor zehn Jahren waren es noch 26 Milliarden. Dietrich Keil, Ratsmitglied für das überparteiliche Kommunalbündnis "Essen steht AUF" stellt dazu gegenüber "rf-news" klar: "Wenn die Zahlen der Hartz-IV-Berechtigten ansteigen - und in Essen sind das jetzt schon über 80.000 - dann steigen die Sozialausgaben der Kommunen, zumal sich der Bund scheibchenweise von der Finanzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung verabschiedet hat. Das gleiche gilt für die wachsende Zahl von bedürftigen Kranken, Behinderten usw."

So müssen die Kommunen immer mehr Geld für Eingliederungshilfen für Behinderte (aktuell 13,3 Milliarden Euro), die Kosten der Unterkunft von Hartz-IV-Beziehern (10,5 Milliarden Euro) und die Grundsicherung im Alter (rund vier Milliarden Euro) ausgeben. Auch für den Ausbau der Kinderbetreuung wurde der Bedarf der Kommunen von der Bundesregierung viel zu niedrig angesetzt.

30 Prozent aller Kommunen z.B. in Nordrhein-Westfalen haben heute bereits einen Nothaushalt. Sie müssen sich alle freiwilligen Leistungen vom nächsthöheren Staatsorgan oder einem Sparkommissar genehmigen lassen. Damit scheitert auch der Betrug von der angeblichen "kommunalen Selbstverwaltung", die in Wirklichkeit seit jeher eine Farce war. Auch die Kommunen sind in die Diktatur der Monopole im staatsmonopolistischen Kapitalismus eingebunden.

Nach einer Erhebung der Beratergesellschaft "Ernst & Young" wollen 84 Prozent der Städte und Gemeinden Gebühren und Steuern zu erhöhen. 60 Prozent wollen soziale Leistungen kürzen. Die Kita-Gebühren will jede dritte Kommune zu erhöhen. Fast überall gibt es Pläne zur Anhebung der Gebühren für Müllabfuhren, den Winterdienst und die Straßenreinigung. Schlaglöcher werden nicht mehr repariert, Jugendklubs geschlossen und dringend notwendige Gebäudesanierungen aufgeschoben.

All das lässt die Wut auch auf die kommunalen Spitzenpolitiker steigen, es verschärft zugleich bei einem Teil der bürgerlichen Kommunalpolitiker selbst die Widersprüche zur Regierungspolitik und wirft die Frage nach einer Alternative zum Kapitalismus auf. Dies fordert den Zusammenschluss der verschiedensten Kräfte im Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten heraus, allerdings auch die Klärung der dafür notwendigen gemeinsamen Grundlage und Prinzipien.

Über eine Aktion "Gemeinsam gegen Giftlisten!" in Mülheim/Ruhr berichtet die Website "www.alternative-kommunalpolitik.de": "Die Protestwand aus Kartons sprach den Menschen aus dem Herzen, denn die Maßnahmen des Mülheimer Stadthaushalts richten sich gegen sie: Kürzungen und Gebührenerhöhungen, Reduzierung und Schließungen wichtiger Einrichtungen im Bildungs-, Sozial- und Jugendbereich wollen sie nicht hinnehmen." 

Notwendig sind Sofortforderungen gegen die Abwälzung der Krisenlasten wie nach einem Zins- und Schuldenmoratorium für die Kommunen oder nach der Bereitstellung von 200 Milliarden Euro aus Bundesmitteln für die Sanierung der maroden Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser, Schwimmbäder, Freizeit- und Kultureinrichtungen - ohne Zwang zur finanziellen Eigenbeteiligung der Kommunen! Zur Durchsetzung solcher Forderungen muss ein breiter, entschiedener Widerstand wachsender Teile der Bevölkerung organisiert werden.