Umwelt
Agrarmonopole im Brennpunkt der Kritik
20.01.11 - Explodierende Preissteigerungen für die Verbraucher, Zerstörung der klein- und mittelbäuerlichen Existenzen auf der einen Seite und riesige Subventionen für die Nahrungsmittelmonopole auf der anderen Seite und nicht zuletzt die Aufdeckung des Großhandels mit dioxinvergiftetem Futtermittel kommen nicht mehr aus den Schlagzeilen. Das passt Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner nicht in den Kram, wo sie heute Abend vor internationalem Publikum die "Grüne Woche" mit Veranstaltern aus 56 Ländern in Berlin eröffnet.
Deutschland will sich dort auf der weltgrößten Agrarmesse als Musterland in Sachen Landwirtschaft und Ernährung präsentierten. Und gerade jetzt drohen einige Länder deutsche Lebensmitteleinfuhren zu blockieren. Kritiken sollten möglichst runter gespielt werden. Ihr zur Seite stellte sich der Präsident des Bauernverbands, Gerd Sonnleitner. Den Kritikern an dem ganzen Agrarsystem in Deutschland und der EU wirft er vor, "Zerrbilder" zu malen. An der "Subventionierungspolitik der EU sei festzuhalten" und die "deutsche Tierhaltung brauche sich nicht zu verstecken". Außer einigen Mängeln sei alles im Großen und Ganzen in Ordnung.
In Ordnung ist es dann also, wenn den Firmen gesetzlich abgesichert Eigenkontrollen anvertraut werden, damit sie jahrelang einen Verschnitt aus belastetem und unbelastetem Tierfutter so lange panschen durften, bis die erlaubten Grenzwerte gerade mal so eingehalten werden konnten? Der aktuelle Dioxin-Skandal sei ein Ausrutscher und nur deshalb aufgetreten, weil dem Hersteller eine "Panne beim Panschen" ("Süddeutsche Zeitung" vom 20.1.11) unterlaufen sei.
Die wenigen Monopole, die heute den Lebensmittelmarkt in Deutschland beherrschen, verweigern seit Jahren, dass die gesamte Produktions- und Weiterverarbeitungskette staatlich kontrolliert wird. Sie verweigern, was in vielen anderen Ländern schon Mindeststandard ist, dass der Verbraucher mit jeder Packung, die er kauft, lesen kann, was da alles drin ist an Zucker und an Zusatz- sowie Nahrungsergänzungsstoffen. Zurecht hatte vor wenigen Wochen der Vorsitzende von "Foodwatch", Thilo Bode, von einer legal zugelassenen Kriminalität in Deutschland gesprochen.
Daran wird auch ein den Medien schnell in die Kameras gehaltener 14-Punkte-Plan der Ministerin nichts ändern. Denn was für die Massen lebensnotwendige Gebrauchsmittel und für den kleinen Bauern Existenzgrundlage sind, sind für die weltweit bestimmenden Konzerne und das internationale Finanzkapital Quelle für Maximalprofite und Spekulationsobjekte.
Die hohe Produktivität in der Landwirtschaft kommt nicht dem Verbraucher zu Gute. Sie ist zum Kampfmittel der großen Agrarerzeugerstaaten geworden, um die Landwirtschaft kleinerer Länder durch Dumpingpreise zu zerstören und gezielt künstliche Knappheiten zu erzeugen, die dann wiederum die Preise hochtreiben lassen. Das wiederum heizt die Spekulation an. Umweltkatastrophen und Ernteausfälle beleben für diese Leute ihr Geschäft an den Börsen.
Das Kampagnen-Netzwerk "Campact" (unter anderem vom BUND getragen) hat Ilse Aigner 70.000 Unterschriften und eine Resolution für eine "andere Agrarpolitik" überreicht. Darin wird berechtigt die tierquälerische Massentierhaltung angeprangert und die Subventionierung von extremem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Überdüngung kritisiert. Allerdings weckt "Campact" Illusionen, indem es im Rahmen des Kapitalismus eine Systemänderung der Agrarpolitik fordert, die die Bedürfnisse der Verbraucher zur Grundlage hat.
Die von "campct" organisierte Großdemonstration in Berlin am 22. Januar (www.wir-haben-es-satt.de) wird eine gute Möglichkeit sein, den Volkswiderstand gegen die Berliner Regierung und die Lebensmittel-und Agrarkonzerne zu erweitern. Dazu gehört neben den Forderungen nach Ausbau staatlicher Kontrollen, Ahndung und Bestrafung von Lebensmittelvergiftern auch die nach Senkung der Verbraucherpreise und Hebung der Erzeugerpreise für die Masse der Bauern. Aber erst in einer sozialistischen Landwirtschaft werden die Bedürfnisse der ganzen Gesellschaft der Maßstab der Ökonomie sein.