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Fiat-Chef erpresst Knebel-Tarifvertrag - internationale Solidarität gefordert

Fiat-Chef erpresst Knebel-Tarifvertrag - internationale Solidarität gefordert
Fiat-Arbeiter demonstrierern (FIOM-foto)

18.01.11 - Mit der Drohung, anderenfalls das Fiat-Hauptwerk Mirafiori in Turin sofort zu schließen, hat Fiat-Chef Sergio Marchionne die Durchsetzung eines Knebel-Tarifvertrags gegenüber der 5.431 Beschäftigte zählenden Belegschaft erpresst. Fiat war zuvor aus dem nationalen Metalltarifvertrag und aus dem Unternehmerverband Confindustria ausgetreten. Zwar haben immerhin 46 Prozent der Beschäftigten in einer Abstimmung diesen Tarifvertrag abgelehnt, jeder weitere Widerstand soll damit aber regelrecht erstickt werden.

Nur Gewerkschaften, die diesem Knebelvertrag zugestimmt haben, dürfen künftig Vertreter in betriebliche Gremien entsenden. Allerdings sollen diese von oben nominiert werden - ohne Wahlen. Die Metallarbeitergewerkschaft FIOM, die den Vertrag nicht unterzeichnet hat, wird demnach davon ausgeschlossen sein. Damit erkaufte sich Marchionne die Zustimmung der rechten Führer der vier anderen Gewerkschaften. Jeder Arbeiter soll den neuen Vertrag persönlich unterzeichnen. Wer streikt, kann unmittelbar gekündigt werden. Gewerkschaften, die dem Vertrag zugestimmt haben, später aber zu Streiks aufrufen, sollen ebenfalls ausgeschlossen werden.

Von einer "freien Entscheidung" bei der Abstimmung über diesen Vertrag kann überhaupt keine Rede sein. Unter der Bedingung der Lohnarbeit, die die Arbeiter und Angestellten zum Verkauf ihrer Arbeitskraft zwingt, damit sie existieren können, und der Drohung mit Arbeitsplatzverlust ist es umso bemerkenswerter, dass sich fast die Hälfte der Belegschaft dagegen aussprach.

Verhindern will Fiat mit diesem diktatorischen Vorgehen jeden Widerstand gegen die Ausbeutungsoffensive, mit der der Konzern die Folgen der Weltwirtschaftskrise überwinden will. Im letzten Jahr brachen die Autoverkäufe von Fiat in Europa um knapp 5 Prozent ein - zusammen mit den zum Konzern gehörenden Marken Alfa Romeo und Lancia betrug der Rückgang sogar 17 Prozent.

Bereits Anfang Januar wurde der Konzern mit insgesamt 240.000 Beschäftigten aufgespalten, die PKW-Sparte unter "Fiat SpA" an die Börse gebracht. Unter der Bezeichnung "Fiat Industrial" wurden die Nutzfahrzeugmarke Iveco und der Land- und Baumaschinenanbieter CNH Global zusamengefasst. Die Arbeitszeiten werden ausgedehnt, die Löhne noch weiter gedrückt. Sie liegen schon jetzt mit durchschnittlich 1.200 Euro erheblich unter denen anderer europäischer Automobilarbeiter.

Marchionne versprach "gesicherte Beschäftigung", wenn der Tarifvertrag angenommen würde. Bereits Ende Dezember wurde auf diese Weise die Belegschaft im neapolitanischen Pomigliano genötigt, dem Tarifvertrag zuzustimmen. Anderenfalls würde die Produktion des Fiat-Panda eingestellt. Tatsächlich wird gleichzeitig Produktion ins Ausland verlagert. So lässt Fiat im nordostbrasilianischen Ipojuca im Bundesstaat Pernambuco ein neues Werk errichten, wo ab 2014 jährlich 200.000 PKW gebaut werden sollen. Kaum war das Abkommen abgesegnet, wurde die Mirafiori-Belegschaft erst einmal für das ganze Jahr auf Kurzarbeit gesetzt.

Vor allem beinhaltet der Tarifvertrag aber eine starke Flexibilisierung der Arbeitszeit (unter anderem durch Ausdehnung des Schichtbetriebs und Verkürzung der Pausen) sowie Angriffe auf Kranke ("rf-news" berichtete) und er bedeutet eine drastische Einschränkung des in Italien erkämpften relativ weitgehenden Streikrechts. Das fordert nicht nur die Fiat-Belegschaften, sondern die gesamte italienische Arbeiterklasse und insbesondere die kämpferische Gewerkschaftsbewegung heraus, dagegen Front zu machen.

Die FIOM hat bereits für Ende des Monats einen erneuten Streik angekündigt. Dafür brauchen die Fiat-Kollegen auch die internationale Solidarität aller Automobilarbeiter. Solidaritätsadressen können an die Internationalismus-Verantwortliche der FIOM, Alessandra Mecozzi, geschickt werden: fiom.internazionale@fiom.cgil.it