Politik
FDP zieht die Reißleine
04.04.11 - Gestern erklärte Guido Westerwelle, dass er nicht mehr für den Parteivorsitz der FDP kandidieren und sein Amt einem jüngeren Nachfolger übergeben werde. Heute erklärte er, auch für 2013 nicht mehr als Spitzenkandidat der FDP anzutreten. Als Nachfolger wird Gesundheitsminister Philipp Rösler gehandelt. Dem zuvor ging ein Hauen und Stechen in der FDP-Führung, das nur mühsam vor der Öffentlichkeit verborgen wurde. Nach den Wahlpleiten der ersten Landtagswahlen in diesem Jahr ist die FDP in eine Krise geraten. Mit demagogischen Slogans konnte Westerwelle noch 2009 mitten im zweiten Jahr der Weltwirtschafts- und Finanzkrise Hoffnungen wecken: Durch Versprechungen über Steuersenkungen für alle mit dem Schlagwort "mehr netto vom brutto". Die FDP fuhr mit 14,6 Prozent der abgegebenen Stimmen das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte ein.
Westerwelle konnte damit als neuer Koalitionspartner Angela Merkel (CDU) eine weitere Amtsperiode als Kanzlerin sichern. Dafür beanspruchte die FDP wichtige politische Ressourts, den Außenministerposten für Westerwelle, den Wirtschaftsministerposten für Rainer Brüderle und das Gesundheitsressort für Rösler. Westerwelle war die Gallionsfigur der FDP seit zehn Jahren. Sein Fall ist auch eine weitere Schwächung der schwarz-gelben Kanzlerschaft.
Die FDP-Spitze glaubte ihr Wahlergebnis nutzen zu können, um als Scharfmacher Attacken auf Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte zu reiten. Sie trat beharrlich gegen die Einführung von Mindestlöhnen ein, war mit vornedran bei der Hetze gegen Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger, denen sie "Anspruchsdenken" und altrömische Dekadenz" unterstellte. Die Montagsdemonstrationen hatten mit ihrer beharrlichen Aufklärung Anteil, dass Westerwelles Arroganz für ihn nun zum Bumerang wurde.
Er wurde mit seiner Führungsriege lautstarker Wortführer für die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Sogar unmittelbar nach der Katastrophe wollten sie noch daran festhalten. Rainer Brüderle erwies sich offen als Lügner, der vor kurzem noch behauptete, dass "in Deutschland die Lichter ausgehen" würden, wenn die AKWs abgeschaltet werden.
Die FDP ist auf dem Weg gescheitert, ein neues Klientel unter der Masse der Wähler zu gewinnen und hat sogar Stammwähler im Mittelstand und der nichtmonopolistischen Bourgeoisie verloren. Viele von diesen gehen zu den Grünen über. Westerwelle hat die Quittung erhalten für eine Politik der verschärften Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen und seine demagogischen Versprechungen mit kurzer Halbwertszeit. Zugleich haben auch Stützen aus der reaktionären Ecke wie die militaristischen Scharfmacher Westerwelle die Gefolgschaft aufgekündigt, weil er sich aus taktischen Gründen nicht offen für die unmittelbare Beteiligung am militärischen Schlag gegen Libyen ausgesprochen hatte.
Er ist ein weiterer Kopf, der nun im politischen Establishment von "Schwarz/gelb" rollt (Köhler, Koch, zu Guttenberg ...). Eine Entwicklungsrichtung, die die Kanzlerin angesichts der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus nur schwerlich umkehren dürfte.