Betrieb und Gewerkschaft
Ab 1. Mai "Arbeitnehmerfreizügigkeit" gültig: Noch mehr Druck auf die Löhne!
28.04.11 - Über 7 Millionen Menschen sind in Deutschland in "Minijobs" beschäftigt, seit 2003 ist das ein Anstieg um 27 Prozent! Zu dieser massiven Zunahme der geringfügigen Beschäftigung ohne soziale Absicherung kommt jetzt noch ein weiterer wachsender Druck auf die Löhne: Am 1. Mai 2011 tritt auch für die Einwohner von acht osteuropäischen Ländern, die im Jahre 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, die sogenannte „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ in Kraft. Sie können dann u.a. in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis jede Beschäftigung ausüben. Das ermöglicht auch Firmen mit Sitz in diesen Ländern, ihre Arbeitskräfte bei Aufträgen in Deutschland mitzubringen. Das hätte unter anderem massive Auswirkungen auf den Pflegebereich, den Bausektor und auf die Landwirtschaft.
In allen Branchen, in denen es keine durch Gesetz oder allgemeinverbindliche Tarifverträge geregelten Mindestlöhne und Mindestarbeitsbedingungen gibt, gelten für diese Beschäftigten dann die Löhne und Arbeitsbedingungen des Herkunftslandes. Das hätte auch bei Leiharbeitsfirmen zu einem verschärften Konkurrenzkampf mit extremen Lohndumping für die Beschäftigten geführt. Denn das „Equal Pay“-Prinzip (d. h. die Verpflichtung, Leiharbeitern gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen wie den Beschäftigten des Entleiherbetriebs zu gewähren) kann aufgrund des "Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes" durch Dumping-Tarifverträge unterlaufen werden. 2004 hatte die SPD/Grünen-Regierung dieses Gesetz so verändert, dass Unternehmen damit die Möglichkeit zur massiven Spaltung der Belegschaften in Stammbelegschaften und deutlich niedriger bezahlte Leiharbeiter eingeräumt wurde. Das führte seitdem schon zu einer allgemeinen Senkung des Lohnniveaus und einer ständigen Ausweitung der Leiharbeit. Heute gibt es fast eine Million Leiharbeiter!
Zahlreiche deutsche Zeitarbeitsfirmen hatten angesichts der erwarteten "Freizügigkeit" in den letzten Monaten Tochtergesellschaften in Polen gegründet und Haustarifverträge entworfen, um diese dann mit irgendwelchen polnischen Scheingewerkschaften abzuschließen. Der übliche Stundenlohn für Leiharbeiter beträgt in Polen etwa 4,80 Euro, für den diese Arbeiter dann in Deutschland arbeiten sollten. Gegen die ständige Lohndrückerei durch die Leiharbeit entwickelte sich aber in den Belegschaften ein zunehmender Widerstand. Immer öfter wird ein allgemeiner Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde gefordert. Auch die Führungen der DGB-Gewerkschaften verlangten nun Mindestlöhne, ohne sich aber auf einen allgemein gültigen konkreten Stundenlohn festzulegen.
Auch die schwarz-gelbe Koalition traute sich angesichts des wachsenden Widerstands nicht, das extreme Lohndumping ab 1. Mai zuzulassen. Ende März 2011 wurde vom Bundestag ein besonderer Mindestlohn für Leiharbeiter beschlossen. Er tritt am 1. Mai in Kraft.
Herausgekommen ist ein Lohn, der zum Leben nicht reicht: Ein Stundenlohn von 7,79 Euro in den neuen und 6,89 Euro in den alten Bundesländern. Das entspricht exakt dem gegenwärtigen Lohn der untersten Entgeltgruppe I der zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Bundesverband Zeitarbeit abgeschlossenen Spaltertarife. Von "Equal Pay" ist nun überhaupt keine Rede mehr!
Nach Berechnungen des „Hamburger Abendblatt“ vom 24.03.2011 kommen mit diesem Mindestlohn für Leiharbeiter selbst bei Vollzeitbeschäftigung netto maximal 892 Euro (West) bzw. 806 Euro (Ost) heraus. Das ist völlig inakzeptabel. Gefordert werden muss nach wie vor ein allgemein gültiger gesetzlicher Mindestlohn von derzeit mindestens 10 Euro/Stunde! Auch diese Forderung gehört am 1. Mai auf die Straße!
(mehr dazu in der aktuellen 1.- Mai-Ausgabe der "Roten Fahne")