Umwelt
"Abschalten sofort" Über Hunderttausend auf der Straße gegen Atomkraft
26.04.11 - In 12 Städten Deutschlands fanden am Ostermontag anlässlich der Tschernobyl-Katastrophe vor 25 Jahren große regionale Demonstrationen für die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke statt. Rund 120.000 waren es in Deutschland, mehrere Tausend erstmals vor dem französischen AKW in Cattenom. Viele Demonstrationen waren davon geprägt, dass der Kampf zur sofortigen Stilllegung aller AKWs international geführt werden muss. Das ist Bestandteil und guter Auftakt für die vielen weltweit geplanten Aktionen auch am heutigen Dienstag. Dazu hat auch die ICOR gemeinsam mit der ILPS aufgerufen, ihn als einen internationalen Aktionstag gegen die imperialistische Atompolitik zu begehen. Wir werden darüber berichten.
Die größte Demonstration gestern fand vor dem niedersächsischen AKW Grohnde statt, wo sich 20.000 versammelt hatten. In Gronau an der niederländischen Grenze demonstrierten 15.000 für die Abschaltung der Urananreicherungsanlage der Firma Urenco. Nach einem geplanten Ausbau soll die Urenco, die zu je einem Drittel dem britischen und dem niederländischen Staat, sowie RWE und Eon gehört, in Gronau den Bedarf von 30 bis 35 Atomkraftwerken decken können. Eine zweite Anlage im niederländischen Almelo soll für 50 Kraftwerke Uran aufbereiten.
Korrespondenten berichten (z.T. gekürzt):
Grohnde: Die Demonstranten kamen von Bielefeld bis Heiligenstadt (Thüringen), von Dannenberg bis Göttingen. Aus der gesamten Region, welches bei einem GAU in Grohnde unmittelbar betroffen wäre. Nach der Kundgebung wurde über 6,5 km das AKW Grohnde umzingelt. Die MLPD führte einen Stand durch, wo zahlreiche Leute sehr interessiert an den Positionen der MLPD waren. So haben wir fast 250 Broschüren "Internationaler aktiver Widerstand zur sofortigen Stilllegung aller Atomkraftwerke!" gegen Spende verteilt und dabei ca. 70 € Spenden eingenommen. Hundertfach erhielten wir Zustimmung dazu, dass wir einen internationalen aktiven Widerstand benötigen, was auch über die Aktivitäten heute hinaus geht. Jugendliche haben sich für die rebellischen Widerstandsgruppe eingetragen. Auf Interesse stieß das Buch "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution".
Gronau: Das bunte Bild überwiegend grüner und gelber, aber auch einiger roter Fahnen war geprägt von vielen Jugendlichen, jungen Familien, aber auch nicht wenigen „Veteranen“ der Anti-AKW-Bewegung der 1970er und 80er Jahre, sichtlich stolz über den langen Atem und neuen Aufschwung der Bewegung. Eine ganze Trecker-Kolonne von Bauern aus der näheren und weiteren Umgebeung führte den Zug an. Demonstriert wurde zur Urananreicherungsanlage der Firma Urenco (u.a. im Besitz von RWE und Eon), deren sofortige Stillegung gefordert wurde (....)
Ein kämpferischer Block von Montagsdemonstranten, Genossen und Freunden von MLPD und REBELL aus ganz NRW organisierte ein offenes Mikrofon, Parolen und Lieder. Das war insbesondere für etliche Jugendliche ein Anziehungspunkt, die sich aktiv an der Auseinandersetzung beteiligten. Eine Jugendliche aus Kalkar berichtete stolz, dass ihre Mutter in ihrem Alter dabei, den Schnellen Brüter in Kalkar zu verhindern und sie heute diese Tradition fortsetzt. Gemeinsam mit ihrer ganzen Clique will sie jetzt in Kalkar eine rebellische Widerstandsgruppe aufbauen, ebenso wie Jugendliche in Gronau.
Neckarwestheim: 8.000 – doppelt soviel wie erwartet – demonstrierten mit einem bunten Wald von Fahnen in einem kilometerlangen Zug zum AKW Neckarwestheim bei Heilbronn. Vorbei an einer Wiese mit Kreuzen für die Opfer der Katastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren. Henri Pauli von den „Ärzten gegen den Atomtod“ schilderte die drastischen Folgen der Katastrophe von Tschernobyl mit 800.000 verstrahlten Kindern. Im Angriff auf die verbrecherische weltweite Desinformationskampagne nach Fukushima, erklärte er unmissverständlich, dass die Atomtechnik nicht beherrschbar ist und die AKWs deshalb endgültig und dauerhaft abgeschaltet werden müssen. Die Zuhörer unterstützen dies mit Sprechchören „Abschalten! Abschalten!“. Als er ausdrücklich auch die Spitzen von SPD und Grünen ins Visier nahm und ihren Verrat anprangerte, und jeder Rückkehr zu ihrem sogenannten „Atomkonsens“ eine Abfuhr erteilte, hallte es „Lügenpack!Lügenpack!“
Lena, eine Vertreterin der belorussischen Jugend machte eindringlich deutlich, dass es nicht um „25 Jahre nach Tschernobyl“, sondern um „25 Jahre mit Tschernobyl“ geht, denn die Verstrahlung ist in den Körpern der Menschen. Um die Systemfrage drehten sich auch viele der Gespräche ... Die Heilbronner Rotfüchse, der Kinderorganisation der MLPD, traten mit einem selbst gemalten Transparent für den weltweiten, aktiven Widerstand zur Stillegung aller AKWs ein. Die Tatsache, dass die Anti-AKW Bewegung aus „früheren Fehler gelernt hat“, wurde auch dadurch deutlich, dass die breite Mehrheit die Hände hob auf die Frage hin, wer misstrauisch gegenüber der neuen Grüne-SPD Regierung in Baden-Württemberg sei. Und die Aufforderung, den Aktiven Widerstand auch mit der Blockierung von AKW's fort zu führen, erhielten breiten Beifall.
Philippsburg: In Philippsburg in Baden gab es sicher eine der größten Demonstrationen, die diese kleine Stadt bisher erlebt hat. Auf dem Marktplatz trafen sich bei strahlendem Sonnenschein Jugendliche,Eltern mit Kindern, viele mit Kinderwagen und auch viele ältere Menschen zu einer Kundgebung gegen das Kernkraftwerk hier vor Ort. Aus der ganzen Umgebung waren Menschen gekommen, um ihren Protest auszudrücken und ihre Forderung zu stellen: "Abschalten - jetzt!" Das war die Losung, die am lautesten und immer wieder gerufen wurde. Dazwischen "AKW - nee!" Der Nachrichtensender SWR 3 gab die Zahl der Teilnehmer mit 3.000 an, das waren dreimal so viele wie erwartet worden waren. Bei den vielen Gesprächen, die wir mit Teilnehmern führten, war eine sehr große Wut vorherrschend, aber auch Aufgeklärtheit und der Wille, nicht aufzugeben in diesem Kampf gegen die Kernkraft und ihre Betreiber.
Günzburg: 7.000 Menschen waren aus dem ganzen Umkreis in das kleine Städtchen in der Nähe von Ulm gekommen. Auffallend war, dass aus allen Bevölkerungsgruppen - jung und alt, Kinder, Jugendliche, Großmütter - sehr fantasievoll und lautstark der Protest gegen die Atompolitik zum Ausdruck gebracht wurde. Zu der Demonstration und Kundgebung hat eine breite Aktionseinheit aufgerufen. Naturfreunde, Greenpeace, gegen Castortransporte, ÖDP, Die Linke, Piratenpartei, MLPD, SPD und Grüne, die Initiative "Atomausstieg jetzt!" und viele andere mehr waren vertreten. Die MLPD Ortsgruppen München, Augsburg, Heidenheim und Ulm mobilsierten und nahmen an der Demonstration teil.
Grafenrheinfeld: Ein schier endloser Zug bewegte sich von den drei Sammelpunkten zu der Kundgebung auf den Mainwiesen gegenüber dem AKW Grafenrheinfeld, das momentan wegen Revision abeschaltet ist. Über 15.000 Atomgegner kamen zusammen, weit mehr als die Veranstalter gerechnet hatten. Angereist waren die AKW-Gegner mit der Bahn, Bussen, Inliner, Fahrräder und auch Traktoren. Viele selbst gestaltete Schilder und Transparente waren auf dem Platz zu sehen. Die frisch gegründete "Rebellische Widerstandsgruppe" sammelte erste Erfahrungen. Nach der Schweigeminute und einer symbolischen radioaktiven Wolke aus hunderten von Luftballons gingen die Redner auf die lange Tradition des Widerstands ein. Berichteten aus den Erfahrungen nach dem GAU in Tschernobyl, Erfahrungen mit den Regierungen und den Konzernen z. B. Siemens. In den Gesprächen wurde viel über die Zukunft diskutiert und eine mögliche gesellschaftliche Perspektive.