Politik
Zwei Gesichter des Evangelischen Kirchentags
05.06.11 - Heute geht der 33. evangelische Kirchentag in Dresden zu Ende. Rund 120.000 eingetragene Dauergäste haben ihn laut Veranstalter besucht. Selten war ein Kirchentag so politisch. In etlichen der 2.200 Veranstaltungen, Foren und Vorträgen wurde die sozialen Ungerechtigkeit angeprangert, über den Atomausstieg, die Klimazerstörung und den ungerechten Krieg in Afghanistan gestritten. Kontroverse Ansichten über Migration, das Verhältnis von Christen, Juden und Muslimen, über sexuellen Mißbrauch in den Kirchen usw. bestimmten die Top-Themen.
Allerdings wurde bei den größeren Veranstaltungen schon ausgefiltert, denn 28 Euro Tageskarte um da reinzukommen, konnten sich viele nicht leisten. Diese Ausgrenzung per Geldbeutel, die viele Dresdener empörte, gab schon einen Hinweis was unter "spiritueller und hochpolitisch gelebter Demokratie und Mitmachkultur", verstanden wird, wie Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt abschließend den Kirchentag euphorisch bewertete.
Mitmachen durften alle führenden Repräsentanten der deutschen Politik mit Christian Wulff und Angela Merkel an der Spitze. Um nicht gleich anzuecken, räumten sie Versäumnisse ein, um die Kritik an ihrer Politik zu unterlaufen. Christian Wulff sprach in der vollbesetzten Eishalle zum Thema Migration und meinte, es habe zwar "Versäumnisse bei der Sprachförderung oder im Bildungssystem" gegeben. Auch sei die Arbeitslosigkeit unter jungen Migranten höher, um dann zu schlussfolgern: "Wir müssen daran weiter arbeiten, aber die Richtung stimmt."
Die Pfarrerstochter Angela Merkel trat als Bekehrte auf, die angesichts von Fukushima zu innerer Einkehr gekommen sei, und ihre "Meinung über die Atomenergie geändert" hätte. Diese Einkehr wurde ihr von vielen nicht wirklich abgenommen, trotz höflichem Beifall aus dem Publikum. Denn es waren vor allem die hunderttausenden Demonstranten und die wachsende Umweltbewegung, die ihr gehörig Druck machten. Dennoch bedeutet ihre angebliche Energiewende noch lange keine Umkehr zur sofortigen Stilllegung aller AKWs. So durfte auf dem Kirchentag auch der AKW-Betreiber RWE mit einem großen Stand mitmachen, wo er für die Fortsetzung der Atomenergie werben konnte.
Mitmachen durften auch offene Vertreter des Militarismus und der aggressiven Außenpolitik der BRD. Verteidigungsminister Thomas de Mazière, der den Kriegseinsatz in Afghanistan mit "christlicher Friedensethik" rechtfertigen wollte. Dem folgte die Spitze der evangelischen Kirche nicht. EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider hatte im Vorfeld die Pläne de Maizières zur Bundewehrreform als "Kanonenbootpolitik in neuer Form" angegriffen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs konnte auf dem Podium Margot Käsmanns Kritik am Afghanistan-Einsatz diffamieren. Er warf ihr Beleidigung der deutschen Soldaten vor, die sich in Afghanistan "für das Gute einsetzen". Trotz aller kritischen Ansätze setzten auch Margot Käßmann und Nikolaus Schneider auf gütliche Gespräche und einen Ausgleich zwischen den imperialistischen Besatzern und dem afghanischen Volkswiderstand. Einen solchen Interessensausgleich kann es nicht geben. Die imperialistische Besatzung Afghanistans kann nur durch den Kampf der Volksmassen in Afghanistan und die Solidarität mit dem antimilitaristischen und Friedenskampf in Deutschland für den sofortigen Abzug aller Truppen beendet werden.
Viele Teilnehmer, darunter sehr viele Jugendliche, haben ein anderes Gesicht des Kirchentags geprägt als das offiziell repräsentierte. Sie waren kämpferisch, diskussionsbereit über Kapitalismuskritik, internationalistisch und offen für Diskussionen über gesellschaftliche Alternativen auch mit der MLPD. Angesichts zehntausender Kirchenaustritte bei beiden Konfessionen sehen sich diese gezwungen, sich (scheinbar) dem Linkstrend anzupassen.
Diese Generation kritischer jugendlicher Christen sollte auch mitmachen, durfte aber nicht prägend den offiziellen Kirchentag bestimmen. Und dafür wurden auch Grenzen gezogen. So waren bei der Veranstaltung über Atompolitik und Klimaschutz mit Steinmeier (SPD) nur schriftliche Fragen zugelassen. Ein "Anwalt des Publikums" entschied dann, welche vorgelesen wurden. Der Standpunkt der MLPD, von den Genossinnen und Genossen wurde dabei elegant unter den Tisch gewischt.
Die MLPD hat das Gespräch mit jenen gesucht, die das kämpferische Gesicht des Kirchentags repräsentierten. Dabei hat sie sich auch mit einer kleinen Demonstration von Umweltschützern, vor allem mit einer Initiative gegen das Atomlager ASSE, solidarisiert, die zu der besagten undemokratische Steinmeier-Veranstaltung marschiert war.
Mit dem Buch "Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution" warb die MLPD für eine Perspektive, die in vielen Gesprächen von den Leuten gesucht wird. Die MLPD konnte etliche Kontakte auf dem "Markt der Möglichkeiten" herstellen, wo mehr als 800 Vereine, Verbände und ehrenamtliche Gruppen mit ihren Ständen auf dem großen Dresdner Messegelände für ihre Anliegen warben.
Dabei wurde auch das 15. Internationale Pfingstjugendtreffen am kommenden Wochendende auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen bekannt gemacht. Dieses ist im Unterschied zu den Kirchentagen überparteilich und selbst organisiert. Es wird auch nicht mit Steuern und öffentlichen Fördergeldern finanziert. Den Kirchentag in Dresden sponserte die Stadt immerhin mit 2,5 Millionen Euro. Wir empfehlen, am Pfingstjugendtreffen teilzunehmen, sich einzubringen und den Unterschied zu einer durchgängigen kämpferischen Veranstaltung mit internationalistischer Ausstrahlung und demokratischer Streitkultur selbst mitzuerleben.
Siehe www.pfingsjugendtreffen.de