Umwelt
Immer mehr radioaktive "hot spots" in Japan
27.07.11 - In den bürgerlichen Massenmedien wird es immer stiller um die Atomkatastrophe von Fukushima. "Im Griff" ist die Lage dort noch lange nicht - im Gegenteil. In den havarierten Atomreaktoren versuchen 1.500 Arbeiter weiter unter extremen Bedingungen, der Lage Herr zu werden und die geschmolzene Masse der Kernbrennstäbe so weit zu kühlen, dass nicht noch mehr Explosionen passieren. Am 18. Juli erlitten 32 Arbeiter einen Hitzschlag, am 19. Juli wurde ein Arbeiter deswegen in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Arbeiter klagen darüber, dass die Kühlhilfen für ihre Anzüge nicht richtig funktionieren. Viele schlafen weiterhin in dem im Kernkraftwerk eingerichteten Krisenzentrum mit ihren Decken auf dem Boden, ohne Betten oder Duschen.
Zwar ist der Austritt von Radioaktivität in die Luft gegenüber den ersten Tagen nach dem Super-GAU etwas geringer. Die Folgen werden aber - aller Medienzensur und Manipulation zum trotz - immer offenkundiger. Die einmal freigesetzte Radioaktivität verschwindet nicht einfach oder wird "verdünnt". Im Gegenteil, sie reichert sich über Luft, Wasser und Niederschläge in Pflanzen und Tieren und damit in der menschlichen Nahrungskette an.
Am 19. Juli verhängte die japanische Regierung einen Lieferstopp für Rinder aus der Präfektur Fukushima. In der Supermarktkette Ito-Yokado war hochgradig verseuchtes Rindfleisch per Zufall entdeckt worden. Es stellte sich heraus, dass über 2.700 Rinder mit Heu aus der Umgebung von Fukushima gefüttert worden waren. Am 21. Juli wurde bekannt, das die Asche einer Müllverbrennungsanlage im Stadtbezirk Edogawa von Tokio hoch radioaktiv belastet ist. Filterproben wiesen einen Wert von 11.470 Becquerel je Kilogramm Asche auf.
Die zahlreichen privat oder auf lokaler Ebene organisierten Messungen beweisen, dass auch außerhalb der offiziellen Evakuierungszone eine gefährlich hohe Strahlung auftritt. Die japanische Regierung sieht sich gezwungen, darauf zu reagieren und weitere Menschen zu evakuieren. Im Juni waren erstmals rund 100 Haushalte der Stadt Date zu "hot spots" erklärt worden, d.h. zu Gebieten mit einer radioaktiven Belastung über dem international empfohlenen Höchstwert von 20 Millisievert im Jahr. Solche Zonen wurden bis dahin nur für ganze Gemeinden eingerichtet, die außerhalb der 20-Kilometer-Evakuierungszone liegen. Im Falle der "hot spots" bleibt es den Betroffenen überlassen, ob sie gehen oder bleiben. Es wird Kindern und Schwangeren lediglich nahe gelegt, solche Orte zu verlassen.
Aber die Proteste reißen nicht ab, dass solche Maßnahmen völlig unzulänglich sind und zu spät kommen. Um die Proteste zu unterlaufen, beauftragte das japanische Industrieministerium jetzt eine Firma, im Internet "fehlerhafte beziehungsweise unpassende Informationen über die Sicherheit der Atomkraft" aufzuspüren. Sie soll auch gezielt "Gegeninformationen" verbreiten. Dass mittlerweile 82 Prozent der japanischen Bevölkerung den Ausstieg aus der Atomenergie wollen, konnten all die Manipulationen nicht verhindern.
Das zeigt eine enorme Veränderung im Bewusstsein der japanischen Bevölkerung. Interessante Informationen dazu enthält ein neues Dossier der "Bürgerbewegung für Kryo-Recycling, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz e.V.": "Dabei scheint nun endlich der Punkt erreicht, an dem sich die japanische Bevölkerung gegen die Bevormundung durch Regierung und Wirtschaft auflehnt - man spricht von mehr als 65.000 Menschen, die allein am 11. Juni 2011, drei Monate nach dem Erdbeben, in vielen Japanischen Städten demonstrierten. ...
Es gibt eine regelrechte Bewegung zur Organisation eigener Strahlenmessungen, die teils durch die Kommunen, teils durch Bürgerbewegungen organisiert werden. ... Lokal finden immer mehr Menschen zusammen, die sich in Eigeninitiative um Aufklärung der Strahlungsintensität bemühen, mehr und mehr Informationsveranstaltungen zu den medizinischen Folgen der Verstrahlung werden organisiert. ...
Das Risikobewusstsein gegenüber der Nutzung von Atomkraft hat sich in Japan während der letzten Monate stark verändert, dieser Wandel ist noch nicht abgeschlossen und es bleibt abzuwarten, welche Früchte die Diskussion um den Atomausstieg in Japan noch tragen wird. Immerhin hat Japans‘ Premierminister Naoto Kan am 14.7.2011 bekanntgegeben, dass Japan aus der Atomenergie aussteigen wolle."
(Vollständiger Text des Dossiers auf der Website der "Bürgerbewegung")