Betrieb und Gewerkschaft

Opel will in Bochum nun doch den Tabubruch offener Massenentlassungen vollziehen

22.08.11 - Am letzten Montag, den 15. August, lief bei Opel in Bochum die Frist ab, bis zu der Kolleginnen und Kollegen unterschreiben sollten, ob sie "freiwillig" ihren Arbeitsplatz aufgeben (siehe "rf-news"-Artikel vom 18.8.11). Damals hatte die Werksleitung noch angekündigt, am folgenden Tag über betriebsbedingte Kündigungen zu entscheiden. Nachdem von den 155 betroffenen Kollegen bis zum Abend des 15. August allerdings nur 27 unterschrieben hatten, war sie vor diesem Schritt zunächst zurückgewichen. Am letzten Freitag Nachmittag hat die Werksleitung nun den Betriebsrat über die geplante betriebsbedingte Kündigung von 89 Kollegen unterrichtet. Ihnen soll im Lauf der Woche in Einzelgesprächen letztmalig die Zwangsversetzung nach Rüsselsheim oder ein Aufhebungsvertrag mit Wechsel in die Transfergesellschaft "angeboten" werden. 

Dass trotz des massiven Erpressungsdrucks ein Großteil der Kollegen die Unterschrift zur Aufgabe des Arbeitsplatzes verweigert hat, unterstreicht ein gewachsenes Selbstbewusstsein. Viele haben mit der Begründung nicht unterschrieben: "Mal sehen, ob Opel damit durch kommt!" Andere Kollegen haben die angebotene Abfindung einschließlich drei zusätzlicher Bruttogehälter mit dem Argument abgelehnt: "Wegen der drei Monatsgehälter lasse ich mir meinen Arbeitsplatz nicht abkaufen. Es geht doch um die Zukunft."

Die Ankündigung, nun doch offene Massenentlassungen auszusprechen, zeigt die Bereitschaft von Opel, eine härtere Gangart einzuschlagen. Damit scheitert auch die negativ ausgerichtete Klassenzusammenarbeitspolitik der Betriebsratsspitze, die ihre Zugeständnisse an die Geschäftsleitung stets damit begründete, es werde schon keine Kündigungen geben.

Der Übergang von GM/Opel zu Massenentlassungen bedeutet einen Tabubruch, zumal auch in den anderen Konzernen insbesondere der Automobilindustrie die Arbeitsplatzvernichtung zuletzt vor allem auf dem Weg der Nichtübernahme von Leiharbeitern oder Azubis, der Erpressung zu Aufhebungsverträgen oder des Abschlusses von "Sozialtarifverträgen" mit höheren Abfindungen durchgesetzt wurde.

Dieser Schritt steht auch für den Übergang zur verschärften Abwälzung der Krisenlasten auf die breite Masse der Bevölkerung. Die Tatsache, dass im Bochumer Werk durch die bereits ausgeschiedenen Kollegen massiver Personalmangel herrscht, bereits jetzt Wochenendschichten angekündigt werden und sogar Stellenausschreibungen für Leiharbeiter in der Lokalpresse erscheinen, unterstreicht, dass es hier in erster Linie um eine politische Machtprobe mit der Bochumer Opel-Belegschaft geht.

Der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel hat angekündigt, der Betriebsrat werde den beantragten Kündigungen widersprechen. Die Betroffenen sind bereit, dagegen zu klagen. Das ist richtig und zu begrüßen. Notwendig ist aber auch der Übergang zum selbständigen Kampf gegen die Massenentlassungen und um jeden Arbeitsplatz. Es ist wichtig, bei einem solchen Schritt die bundesweite und internationale Solidarität zu organisieren. Schon jetzt müssen die Erfahrungen der Bochumer Opelaner zum Thema in den Betrieben und unter der Masse der Bevölkerung gemacht werden, unter anderem bei den heutigen Montagsdemonstrationen.