Politik
Skandalurteil gegen Stuttgarter Antifaschisten
18.09.11 - Am 16. September wurde der Stuttgarter Antifaschist Chris in einem Strafverfahren vor dem Stuttgarter Amtsgericht zu 11 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung und zur Bezahlung der Gerichtskosten verurteilt. Dieses Skandalurteil reiht sich ein in die zunehmende Kriminalisierung von Antifaschisten, Polizeieinsätzen zum Schutz von Faschistenaufmärschen wie am 3. September in Dortmund oder dem brutalen Vorgehen des Staatsapparates zur Unterdrückung des Widerstands gegen "Stuttgart 21".
Chris hatte sich an den Aktivitäten gegen das von der ultrarechten, rassistischen "Bürgerbewegung PAX Europa" inszenierte "islamkritische Wochenende" Anfang Juni 2011 in Stuttgart beteiligt. Eine friedliche Besetzung der Veranstaltungsbühne wurde durch einen brutalen Polizeieinsatz mit Pfefferspray beendet. Chris sowie drei weitere Menschen mussten nach der Festnahme auf der Bühne im Krankenhaus behandelt werden. Der Antifaschist wurde wegen "gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung, Körperverletzung eines Polizeibeamten, wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung" angeklagt (siehe "rf-news"-Bericht). Ein Korrespondent berichtet aktuell:
"Rund hundert Kundgebungsteilnehmer protestierten am 16. September, dem zweiten Prozesstag, vor dem Stuttgarter Amtsgericht und forderten die sofortige Freilassung von Chris. Bei den 60 Besuchern des Prozesses, die den Angeklagten mit Beifall begrüßten, gab es wenig Illusionen, dass bei diesem Verfahren Chris freigesprochen würde. Obwohl die Zeugen der Anklage sich in Widersprüche verwickelt hatten und der polizeiliche Erkennungsdienst sich bei der Zusammenstellung von 'belastendem Bildmaterial' ungesetzlicher Methoden bedient hatte. Richterin Burkardt bewertete offensichtliche Widersprüche der Belastungzeugen als 'Wahrnehmungs-Überlagerungen in tumultartigen Situationen' und nannte die offensichtlich falschen Zeugenaussagen 'Indizien' ihrer Urteilsfindung.
Schon das ist ein Skandal: So kann letztlich jede Falschaussage eines Belastungszeugen zur Verurteilung eines Angeklagten herangezogen werden. Die Richterin überging auch den Verteidiger, der die Zeugen in seinem Schlussplädoyer der Lüge bezichtigte. Ergänzt wurde das noch von Oberstaatsanwalt Häußler, der dem
Angeklagten sein Strafregister mit 17 angeblichen Verstößen etwa gegen
das reaktionäre Versammlungsrecht aufzählte. Da seien Chris die
neuerlichen 'Taten' nicht 'wesensfremd'. Das Schlusswort von Chris wurde mit viel Beifall bedacht, in dem er die Äußerungen des Oberstaatsanwalts in die Nähe einer Gesinnungsjustiz rückte und anprangerte, dass Häußler durchgestrichene Hakenkreuze, ein antifaschistisches Symbol, als Straftat sieht (...)"
Häußler ist auch in der Kritik, weil er seit neun Jahren eine Anklage gegen ehemalige Angehörige einer SS-Division wegen Massakern in Italien verschleppt. Bei der Urteilsverkündung wurde der Gerichtssaal auf Antrag von Oberstaatsanwalt Häußler wegen der Proteste der Zuhörer geräumt. Als dann auf dem Gang lautstark "Freiheit für alle politischen Gefangenen" gerufen wurde, drängten Justizbeamte die Zuhörer rabiat aus dem Gebäude.
Die Verteidigung hat gegen dieses Skandal-Urteil Rechtsmittel angekündigt. Die Solidarität mit Chris bleibt auf der Tagesordnung. Solidaritätserklärungen mit dem Angeklagten gab es von der Verdi-Jugend, dem Kreisvorstand der Linkspartei und der MLPD. Eine Spendensammlung für die Prozesskosten des Angeklagten erbrachte 231.78 Euro.
Sofortige Freilassung von Chris!
Keine Kriminalisierung von Antifaschisten!
Für ein sofortiges Verbot aller faschistischen Organisationen!