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Zehn Jahre Afghanistan-Krieg - Was vom "Stabilisierungs"-Einsatz der Bundeswehr übrig ist ...

07.10.11 - Am 7. Oktober vor zehn Jahren begann in Afghanistan der inzwischen längste Nato-Krieg der Geschichte mit Bombenangriffen der US-Luftwaffe. Um die Weltmeinung für diesen Krieg zu vereinnahmen, wurde von den westlichen Großmächten das faschistische Attentat auf das World Trade Center in New York zum Vorwand genommen, dessen Hintergründe bis heute nicht aufgeklärt sind (siehe "rf-news" vom 10.9.11). Ausgehend davon wurde eine internationale "Bedrohung durch den Terrorismus" an die Wand gemalt, dessen Zentrale um Osama Bin-Laden natürlich in Afghanistan seinen Sitz hatte.

Der Militäreinsatz sollte nach kurzer Zeit mit dem Einsatz einer "demokratischen" Regierung beendet sein. Aus "Solidarität" mit den USA beschloss auch die damalige SPD/Grünen-Regierung die Entsendung von Bundeswehr-Soldaten. Da war die Rede vom "humanitären Aufbau" den Landes, von der Befreiung der Frauen von feudaler Unterdrückung und vom angeblichen "Stabilisierungseinsatz".

Zehn Jahre später liegen all diese großspurigen Versprechungen in Trümmern. Der Afghanistan-Krieg hat sich für die imperialistischen Großmächte zum Desaster entwickelt. Für die Bevölkerung ist die Bilanz der "Aufbauhilfe" katastrophal. 61 Prozent der Einwohner sind chronisch unterernährt, die Lebenserwartung ist auf 43,1 Jahre gesunken, die Alphabetisierungsrate bei den Erwachsenen von 26,7 auf 23,5 Prozent gefallen.

Statt demokratischer Verhältnisse blühen Korruption und Wahlbetrug, ohne die sich der von den USA ins Amt gehievte Präsident Hamid Karsai und seine Regierung nicht halten könnte. Die angebliche "Befreiung der Frau" hat dazu geführt, dass eine Ministerin im Kabinett sitzt, während der Anteil von Frauen im öffentlichen Dienst zwischen 2006 und 2010 wieder von 31 auf 18,5 Prozent zurück gegangen ist.

Von einer "Stabilisierung" Afghanistans auch im imperialistischen Sinne kann keine Rede sein. Die Zahl der bewaffneten Zusammenstöße zwischen Soldaten der Besatzungstruppen und Widerstandskämpfern bzw. Taliban stieg von 1.750 im Jahr 2005 auf 19.500 im Jahr 2010 sprunghaft an. Die Gesamttruppenstärke der eingesetzten Isaf-Soldaten hat von 5.581 im August 2003 auf 130.930 im November 2010 zugenommen, die der deutschen Soldaten von 1.200 im Jahr 2001 auf gegenwärtig 4.900. Die Kosten für die deutsche Kriegsbeteiligung haben sich zwischenzeitlich auf 17 Milliarden Euro verdreifacht.

Mindestens 70.000 Todesopfer forderte nach vorsichtiger Schätzung des "Bundesausschuss Friedensratschlag" dieser Krieg, darunter etwa die Hälfte Zivilpersonen, Frauen, Kinder und Jugendliche. Dabei hat sich der Schwerpunkt der Kriegsführung längst zur "Aufstandsbekämpfung" verlagert. Die Stiftung "Wissenschaft und Politik" stellte dazu bereits im Mai 2008 fest: "In ganz Afghanistan hat sich die ISAF-Mission seit 2006 von einer reinen Stabilisierungsoperation zu einem Einsatz mit dem Schwerpunkt Aufstandsbekämpfung entwickelt."

Ein Mittel dieser Kriegsführung, die auch auf das benachbarte Pakistan ausgeweitet wurde, ist die gezielte Tötung Aufständischer mit Hilfe von ferngesteuerten Drohnen. Allein in Pakistan fielen seit 2004 laut einer Untersuchung des Londoner "Bureau of Investigative Journalism" 2.300 Menschen Drohnenangriffen zum Opfer, darunter mindestens 400 Zivilisten und rund 150 Kinder. Auch nach dem offiziell verkündeten "Truppenabzug" bis Ende 2014 sollen auf lange Sicht bis zu 50.000 Soldaten der imperialistischen Mächte im Land bleiben, die - so die Planung - gestützt auf bis dahin ausgebildete afghanische Armee- und Polizeieinheiten die Vorherrschaft der westlichen imperialistischen Mächte weiter garantieren sollen.

Doch der Widerstand gegen die Besatzung durch die  Bevölkerung, der in den Medien - wenn überhaupt erwähnt - nur den geschätzten 30.000 bewaffneten Taliban zugerechnet wird, wächst. Die Besatzer können sich nur noch mit stärkster Absicherung aus ihren Militärstützpunkten hinaus wagen. Immer häufiger wird von stundenlangen Gefechten berichtet. Im April gab es Massendemonstrationen von Zehntausenden in mehreren Städten des Landes, die durch die demokratischen Aufstandsbewegungen in den nordafrikanischen Städten beflügelt wurden. Am gestrigen Donnerstag protestierten hunderte Afghanen in Kabul für einen sofortigen Truppenabzug. Unter anderem aus solchen Gründen warnt Verteidigungsminister Thomas de Maizière vor einem zu schnellen Abzug, weil das Land sonst in einem "Chaos" versinke.

Das größte Chaos haben aber die imperialistischen Besatzer angerichtet, während die Völker gerade in den demokratischen Aufstandsbewegungen der arabischen Länder bewiesen haben, dass sie ihre Geschicke sehr gut in die eigene Hand nehmen können. Dort haben sich die kämpfenden Massen selbst organisiert, Elemente der direkten Demokratie verwirklicht und den Kampf um ihre Selbstbefreiung aufgenommen. In einer antiimperialistischen Revolution als Teil der internationalen sozialistischen Revolution liegt auch die Perspektive des afghanischen Volks. Diese Perspektive und die dazu nötige Stärkung des Zusammenschlusses der Revolutionäre auf der Welt zu fördern - das ist die wichtigste Schlussfolgerung aus zehn Jahren Afghanistan-Krieg. Das können wir mit der Durchsetzung der Forderung der Friedensbewegung nach sofortigem Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan unterstützen.