Politik

Ans Licht gezerrt: die Heimlichkeiten der Dunkelmänner

12.10.11 - Der "Chaos Computer Club" (CCC) hat mit seiner Analyse der von ihm zugespielten Versionen des geheimen "Staatstrojaners" aufgedeckt: die staatliche Online-Überwachung geht weit über das offiziell zugegebene und gesetzlich zugelassene Maß hinaus. Der Kommentar der bürgerlichen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" spricht schon von einem "Info-GAU" mit "tiefgreifenden unausweichlichen politischen Folgen". Und Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte in größter Sorge: "Wir müssen alles tun, damit die Bürger das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht verlieren."

Die analysierte Software soll Ermittlern in Deutschland eigentlich zur sogenannten Quellen-TKÜ (Quellen-Telekommunikationsüberwachung) dienen, um Voice-over-IP-Gespräche (Internet-Telefonie) schon vor ihrer Verschlüsselung beim Sender oder nach der Entschlüsselung beim Empfänger abhören zu können. Der Staatstrojaner, der dem CCC zugespielt wurde, ermöglicht nach der Analyse des Hacker-Clubs einen Einsatz weit über diese Funktion hinaus: "Die untersuchten Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer Schadsoftware", heißt es in der Analyse des CCC.

Vor allem bis 2008 war der innenpolitische Kurs der Regierung unter der Losung des "Kampfs gegen den Terror" von einer offenen Verschärfung der Faschisierung des Staatsapparates geprägt. Da waren der Einsatz der Bundeswehr im Inland im Gespräch, die Vorratsdatenspeicherung, das BKA-Gesetz und die Online-Durchsuchung, die Aufhebung der Trennung von Polizei und Geheimdiensten. Der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble wollte sich auch für die Verwendbarkeit von erfolterten Aussagen stark machen.

Das stieß auf Protest und Ablehnung bis hinein ins bürgerliche Lager. Die Menschen reagieren in Deutschland auf den Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte sehr empfindlich. Deshalb war für die herrschenden Monopole erst mal eine Beruhigung der Lage angesagt. Verschiedene Gesetze wurden vom Bundesverfassungsgericht eingeschränkt oder gekippt wie die Vorratsdatenspeicherung.

Schäubles Nachfolger Thomas de Maizière nahm dann medienwirksam verschiedene Pläne zurück, wie die des gemeinsamen Kontrollzentrums von Polizei und Geheimdiensten. Im Juli 2011 einigten sich das Bundeswirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium darauf, den geplanten Elektronischen Entgelt-Nachweis (Elena) "schnellstmöglich einzustellen."

Die jetzt vom CCC aufgedeckte Funktionsweise des "Staatstrojaners" beweist, dass die vom Gesetz und Verfassungsgericht nicht genehmigten Maßnahmen heimlich weitergeführt wurden. Die vom Verfassungsgericht geforderte Beschränkung auf die Quellen-TKÜ (d.h. nur Daten, die über das Internet versendet werden, dürften vor einer evtl. Verschlüsselung abgehört werden, nicht aber der Rest der auf dem Rechner gespeicherten Daten) war aber von Anfang an Augenwischerei.

Ist eine Überwachungssoftware erst mal auf dem Rechner installiert, wer soll die Überwacher noch davon abhalten, auf sämtliche Daten zuzugreifen, oder sogar gefälschte Beweise auf dem betroffenen Rechner zu speichern? Dass die jetzt aufgedeckten Trojaner einen Programmteil zum Nachladen beliebiger Überwachungsfunktionen über das Internet eingebaut haben, beweist, dass das auch von Anfang an so geplant war.

Der Schadensbegrenzungsversuch der Bundesregierung, das Ganze zu einer Eigenmächtigkeit der bayerischen Behörden herunterzuspielen scheiterte: Inzwischen ist auch aus Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg bekannt, dass dort ähnliche Versionen der Bespitzelungs-Software eingesetzt wurden. "Ozapft ist" gilt also nicht nur in Bayern. Die Tatsache, dass die Herrschenden mit ihrem heimlichen Staatstrojaner ertappt wurden, zeigt die ganze innere Widersprüchlichkeit des Herrschaftsapparates, die zunehmend "undichte" Stellen aufweist. Da bestätigt sich doch die alte Volksweisheit: "Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!"