Betrieb und Gewerkschaft
Neues Eckpunktepapier für "Zukunftstarifvertrag" bei Airbus - hektisch ausgehandelter fauler Kompromiss
20.10.11 - Nach den kämpferischen Streikaktionen von über 10.000 Airbus-Beschäftigten am Freitag, 7. Oktober, in vier Werken Norddeutschlands wurden die Airbus-Bosse zusehends nervös. Wie zu hören war, nutzten sie den IG-Metall-Gewerkschaftstag für Brandverhandlungen. Am Mittwoch Nachmittag wurde auf einer eilends anberaumten Pressekonferenz ein Eckpunktepapier vorgestellt, auf das sich beide Verhandlungsseiten Airbus/Gesamtmetall und Gesamtbetriebsrat/IG Metall geeinigt haben.
Dabei handelt es sich um einen faulen Kompromiss, der zwar betriebsbedingte Kündigungen bis 2020 ausschließt und einzelne geplante Verschlechterungen wie die nur noch selektive Übernahme der Auszubildenden zurück nimmt. Zugleich orientiert er aber auf das oberste Gebot der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität: "Der erklärte gemeinsame Wille, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, ist Grundvoraussetzung für die Sicherung von Standorten und Beschäftigung." Und damit gleich klar ist wohin die Reise geht: "Es wurden Produktivitätserhöhungen vereinbart, die deutlich über den bisherigen jährlichen Planzielen liegen sollen." (alle Zitate aus den vereinbarten Eckpunkten von Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat)
Nein zum Diktat der Airbus-Bosse!
In den weiteren Punkten sollen für den vagen Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2020 so gut wie alle Forderungen der Kolleginnen und Kollegen geopfert werden:
- Leiharbeiter sollen weiter zum "Heuern und Feuern" missbraucht werden; weder wurde ihre unbefristete Übernahme sofort, noch nach zwei Jahren vereinbart; statt dessen soll eine dauerhafte Leiharbeiterquote von 20 Prozent für mindestens vier Jahre festgeschrieben werden.
- Airbus soll weiter bundesweiter Vorreiter in Sachen Leiharbeit bleiben: die 20-Prozent-Quote (ab 2015 nur noch 15 Prozent, allerdings plus 5 Prozent befristet Beschäftigte) bei Leiharbeitern soll beim "Neuanlauf von Programmen" nach oben offen sein (bundesweit beträgt der Anteil von Leiharbeitern in der Metallindustrie nur 5 Prozent).
- Die geforderte Erhöhung der Ausbildungsquote von derzeit 5 Prozent (berechnet auf die Stammbeschäftigten) auf mindestens 8 Prozent wurde von Airbus abgeschmettert.
- Mit einer sogenannten "Katastrophenklausel" kann Airbus den Tarifvertrag zum 31.12.2016 einseitig kündigen.
Die Eckpunkte garantieren nur ein "Beschäftigungsvolumen der heutigen Stammbelegschaft". Im Klartext: die gesteigerte Ausbeutung mit der Produktivitätserhöhung Jahr für Jahr soll aus der gleichen Anzahl von Beschäftigten herausgepresst werden, zur "Not" durch Abbau von Leiharbeitern.
Neuauflage des Co-Management muss scheitern!
Gesamtmetall/Airbus-Bosse und IG Metall-Verhandlungsführung wie die Gesamtbetriebsratsspitze lassen in dem Papier mitteilen: "Durch eine neue Kultur der Zusammenarbeit wollen wir die Zukunft des Unternehmens gemeinsam gestalten", um dann einen Satz weiter die Belegschaftsinteressen der Wettbewerbsfähigkeit von Airbus unterzuordnen. Was soll das denn für eine Kultur sein, wo die Arbeiter und Angestellten sich auch noch freiwillig dem grenzenlosen Ausbeutungsfahrschein der Airbus-Profiteure unterwerfen?
Zehntausend Airbus Kollegen haben mit ihren Streiks gezeigt, dass sie kampffähig sind. Der Produktionsausfall von ca. 17 Millionen Euro am 7. Oktober hat unterstrichen, wie anfällig die international vernetzte Produktion von Konzernen wie Airbus ist und wie Belegschaften auf Kosten der Profite ihre Interessen in die Hand nehmen können. Wohl an die Adresse der kämpferischen Kolleginnen und Kollegen, der Kollegenzeitung "Flugzeugbauer" und der Marxisten-Leninisten gerichtet, verkündet Daniel Friedrich (IG Metall Küste): "Es ist kein Sozialismus ausgebrochen." ("Weser Kurier", 20.10.11)
Wer hätte das gedacht!
Die bevorstehenden und notwendigen Diskussionen um die Beurteilung der "Eckpunkte" werden die Kritik daran zu Tage bringen. Die Auseinandersetzung ist noch lange nicht gelaufen und muss, wenn notwendig, selbständig weitergeführt werden. Im Interesse der Einheit von "Festen" wie "Leihern" - für die Zukunft unserer Jugend, unsere Gesundheit – kurz für unsere Zukunft!