Politik
Mehr Netto vom Brutto?
11.11.11 - Kein Karnevalsscherz: Mit dem Versprechen "Mehr Netto vom Brutto“ war die Merkel/Westerwelle-Regierung (inzwischen Merkel/Rösler-Regierung) vor gut zwei Jahren gestartet. Laut Koalitionsvertrag sollten die Werktätigen durch Steuersenkungen 24 Mrd. Euro mehr von ihrem Bruttolohn behalten dürfen. Das Gegenteil ist der Fall: „In den letzten fünf Jahren mussten fast alle Arbeitnehmer real sinkende Monatsverdienste hinnehmen, nur die Höchstverdiener nicht“. (focus.de, 9.11.11) Im Durchschnitt sanken die Realeinkommen um 7 Prozent, so das Ergebnis einer entsprechenden Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in dieser Woche.
Letzten Sonntag sah die schwarz-gelbe Regierung mit der näher rückenden Bundestagswahl die Zeit gekommen, um ihr verlogenes Versprechen von der angeblich angestrebten „Steuergerechtigkeit“ zu erneuern. Irgendwie muss ja der dramatische Absturz der FDP in den Meinungsumfragen gebremst werden ... Kurz vor der nächsten Bundestagswahl, ab 1. Januar 2013, sollen also vor allem „Gering- und Normalverdiener“, diesmal um bescheidene 2 Mrd. Euro, entlastet werden. Und als Belohnung, falls Schwarz-Gelb wiedergewählt wird, ab den 1. Januar 2014 nochmals um 4 Mrd. Euro. Dazu soll erstens in zwei Stufen der sogenannte Steuerfreibetrag angehoben werden.
Tatsächlich ist gesetzlich festgelegt, das für jeden Steuerzahler das sogenannte „Existenzminimum“ steuerfrei bleibt. Zuletzt hatte letztes Jahr das Bundesverfassungsgericht nochmals die Regierung eindringlich darauf hingewiesen, dass auf Grund der Teuerungsraten das steuerlich geltende Existenzminimum von monatlich 667 Euro nicht mehr der Realität entspricht und eine Erhöhung angemahnt. Die jetzt in Aussicht gestellte Erhöhung dieses Minimums ab 2013 um monatlich 9,17 Euro und ab 2014 nochmals um 20 Euro auf dann insgesamt 696,17 Euro liegt immer noch weit unter einem realistischen Existenzminimum von mindestens 1.000 Euro.
Nach Berechnungen des Bunds der Steuerzahler würde durch den höheren Steuerfreibetrag die monatliche Steuer-“Entlastung“ bei einem Niedriglohn (monatlich 750 €) 2013 monatlich ganze 1,42 Euro betragen, und ab 2014 lediglich 4,50 Euro. Da gleichzeitig die Beiträge zur Pflegeversicherung um o,1 Prozent erhöht werden sollen, kommen 2013 letztlich 75 Cent mehr auf dem Konto des Geringverdieners an. Und bei Arbeitslosen, Hartz-IV-Betroffenen und den meisten Rentnern nocht nicht mal diese paar Cent, da sie von einer Einkommensteuer-“Entlastung“ nicht betroffen sind. Dagegen ist die „Entlastung“ um so größer, je höher das Einkommen ist. Bei einem Jahreseinkommen von 40.000 € sind es knapp 20 € monatlich ab 2014, maximal 30 € bei einem Jahreseinkommen von einer Viertel Million. Zweitens verspricht die Bundesregierung mehr „Steuergerechtigkeit“, indem sie der so genannten „kalten Progression“ entgegensteuern will. Tatsächlich würde das vor allem die Werktätigen betreffen, denn nur sie werden bei jeder erkämpften Lohnerhöhung mit einem besonders großen Sprung in eine höhere Steuergruppe bestraft, und damit durch höhere Steuerabgaben. Allerdings plant die Bundesregierung, wie bereits von allen bisherigen Bundesregierungen praktiziert, diesen Bereich der so genannten kalten Progression entsprechend den steigenden Bruttolöhnen nach oben zu verschieben, damit auch kein „besser“ verdienender Arbeiter und Angestellter heraus fällt.
Diese angekündigten „sozialen Wohltaten“ sind ein abgedroschenes Betrugsmanöver! Um so berechtigter ist die Forderung der Stahlarbeiter nach 7 Prozent mehr Lohn und es ist richtig und verdient breite Unterstützung, wenn sie mit der Entfaltung ihrer ganzen Kampfkraft für die volle Durchsetzung ihrer Forderung kämpfen. Das könnte auch eine Signalwirkung für andere Belegschaften haben!