International
EU-Krisengipfel beschließt weitere Einschränkung der staatlichen Souveränität - zwischenimperialistische Widersprüche verschärfen sich
09.12.11 - Die 17 Euroländer und neun weitere EU-Staaten wollen einen separaten Vertrag über eine "Stabilitäts- und Fiskalunion" schließen. Das ist das hauptsächliche Ergebnis des heute zu Ende gegangenen EU-Krisengipfels in Maastricht. Damit soll die EU-Kommission ermächtigt werden, unmittelbar in die Aufstellung der nationalen Haushalte einzugreifen und z.B. eine Änderung der Haushaltsentwürfe zu verlangen. Sanktionsverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung lassen sich zukünftig nur noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit stoppen. Damit können die einzelnen Länder systematisch gezwungen werden, die Krisenlasten noch rigoroser abzuwälzen.
Beschlossen wurde auch das Vorziehen der Einführung des erweiterten "Rettungsschirms" ESM um ein Jahr auf Mitte 2012. Auch für die Verwendung der ESM-Gelder wurde die nötige Einstimmigkeit durch eine qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent ersetzt. Einzelne kleinere EU-Staaten sollen dadurch den Entscheidungsprozess nicht mehr aufhalten können. Damit soll sicher gestellt werden, dass die Krisenprogramme im Interesse des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals durchgesetzt werden.
Prüfen wollen die EU-Staaten, ob sie dem IWF über ihre nationalen Notenbanken zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 200 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um dessen Rolle bei der Bekämpfung der EU-Schuldenkrise aufzuwerten - sicher auch in der Hoffnung, damit an dessen schneller verfügbare Reserven heranzukommen. Diese Milliarden wie auch die Gelder für den ESM-Schirm müssen die einzelnen EU-Länder nun über Nachtragshaushalte aufbringen, die früher oder später auf die breiten Massen abgewälzt werden.
Die hektisch gestrickten Beschlüsse stellen die Weichen für die weitere Preisgabe der staatlichen Autonomie zu Gunsten des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. Das reaktionäre Wesen der imperialistischen Staatenbunds EU tritt dadurch immer deutlicher hervor. Das geht einher mit einer Verschärfung der Widersprüche - zwischen dem internationalen Finanzkapital und den noch vorwiegend national orientierten Monopolen, aber auch zwischen verschiedenen Ländern in der EU. Erst in letzter Sekunde hatten sich Schweden, Tschechien und Ungarn bereit erklärt, den Zusatzvertrag zu unterzeichnen.
Dagegen erklärte der britische Premierminister James Cameron, der weitreichende Sonderregeln für das in Großbritannien konzentrierte Finanzkapital und seine Spekulationsgeschäfte verlangt hatte: "Was geboten wird, ist nicht im Interesse Großbritanniens, deshalb habe ich nicht zugestimmt." Er behielt sich vor, einzelne gegen bisher geltende EU-Verträge verstoßende Beschlüsse des EU-Gipfels möglicherweise zu blockieren. Mit dem jetzigen Vorgehen werden faktisch zwei Gruppen innerhalb der EU in Kauf genommen - ein hoher Preis für die beschlossene "Fiskalunion".
Die führenden Politiker der EU gehen zudem selbst nicht davon aus, dass sie damit die EU-Verschuldungskrise und den drohenden Staatsbankrott von immer mehr Ländern nennenswert eindämmen können. Sie richten sich vielmehr auf ein andauerndes Krisenmanagement ein. Denn an der hauptsächlichen Ursache der sich vertiefenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise - der chronischen Überakkumulation des Kapitals - ändern all diese Beschlüsse ohnehin nichts.
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