International
Tausende ArcelorMittal-Stahlarbeiter beteiligen sich an europaweitem Aktions- und Streiktag
07.12.11 - Heute morgen um 6 Uhr hat ein 24-stündiger Warnstreik in allen Luxemburger ArcelorMittal-Stahlwerken begonnen. Er wurde nach Angaben von Gewerkschaftern faktisch zu hundert Prozent befolgt. Der Streik ist Teil einer europaweiten Aktion in allen ArcelorMittal-Werken, zu der der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB) aufgerufen hat. In acht europäischen Ländern, darunter in den Niederlanden, Belgien, Spanien, Frankreich und Deutschland, fanden mehrstündige Protest- und Solidaritätskundgebungen statt, so auch in Duisburg auf dem Werksgelände von ArcelorMittal Ruhrort. Im Werk in Bremen organisierten die 160 gewerkschaftlichen Vertrauensleute eine "Solidaritätsaktion am Hochofen".
Die Konzernspitze von ArcelorMittal hat angekündigt, in Luxemburg die Werke in Esch und Schifflange "vorläufig" zu schließen. Die vorgelegten Dokumente deuten aber nach Aussagen der Luxemburger Gewerkschaft LCGB auf eine endgültige Schließung hin. In Eisenhüttenstadt und in Florange in Lothringen/Frankreich wurden Hochöfen "vorübergehend" stillgelegt, ein Hochofen in Lüttich in Belgien soll aber schon endgültig stillgesetzt werden. Die Produktion in Schifflingen, Düdelingen und Rodange (Luxemburg) wurde gestoppt bzw. massiv reduziert.
Zurecht befürchten die Stahlarbeiter, dass ihre Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Schon jetzt werden vor allem befristet eingestellte Kollegen und Leiharbeiter vor die Tür gesetzt. Allein in Luxemburg sind 626 Stahlarbeiter und deren Familien schon direkt betroffen. Die Konzernspitze begründet ihre Maßnahmen mit einem Rückgang der weltweiten Nachfrage bei einigen Stahlsorten um bis zu 25 Prozent unter das Vorkrisenniveau von 2007. Die Konjunktur in der Branche habe sich infolge der Staatsschuldenkrise im Euroraum eingetrübt. Tatsächlich gingen bei ArcelorMittal in Europa im dritten Quartal die Auslieferungen um 10,3 Prozent zurück und die Rohstahlproduktion fiel aktuell um 6,1 Prozent.
Der aktuelle Absatzrückgang treibt sie dazu, eine schon seit der Fusion von Arcelor und der britischen Mittal Steel Company im Jahr 2007 geplante weltweite Umstrukturierung des Konzerns zu Lasten der Belegschaften auch in den ehemaligen Kernbetrieben in Europa durchzusetzen. Der größte Stahlkonzern der Welt hat seine Belegschaften seit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise Ende 2008 von 316.000 auf nur noch 265.000 Beschäftigte Ende September 2011 verkleinert. ArcelorMittal hat schon seit 2007 in vielen anderen Ländern der Welt Hochöfen und Stahlwerke geschlossen, zugleich aber weitere Stahlunternehmen vor allem in Brasilien, Russland, Indien und China, aber auch in Kanada und den USA übernommen.
Alle Teile des Konzerns sollen zu einem einheitlichen Produktionsverbund umorganisiert werden durch Schaffung "flacher Hierarchien", durch Stilllegungen bzw. Teilstilllegungen und Verlagerungen. In Europa soll die Produktion nur noch auf wenige Standorte konzentriert werden. Das ist verbunden mit Entlassungen, Lohnsenkungen und der Steigerung der Pro-Mann-Leistung. Damit will ArcelorMittal seine führende Stellung auf dem Stahl-Weltmarkt festigen und ausbauen.
Noch wird die geplante Arbeitsplatzvernichtung für die europäischen Werke nicht offen zugegeben, weil die Konzernspitze die Kampfkraft der Stahlarbeiter fürchtet. So erklärte der luxemburgische Generaldirektor Michel Wurth: "In Europa können diese Überkapazitäten nicht kurzfristig abgebaut werden. Daher auch die Entscheidung, mehrere Anlagen vorübergehend zu schließen". Aber die erst am 16. Juni 2011 mit den Gewerkschaften unterzeichneten Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung in der Luxemburger Stahlindustrie, die als Beruhigungspillen eingesetzt worden waren, wurden schon für ungültig erklärt.
Die ArcelorMittal-Belegschaften sind gut beraten, sich nicht dem Konkurrenzkampf der Stahlkonzerne unterzuordnen oder sich vom Auf und Ab der Wirtschaftsentwicklung abhängig zu machen, sondern konsequent um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich könnte dabei die Länder übergreifende Einheit und die gemeinsame Offensive fördern.