Politik

Justizskandal: Gerichte schonen faschistischen Bombenbauer

21.12.11 - Muss es erst Mordopfer faschistischer Terroristen geben, bevor Polizei und Gerichte sich bemüßigt fühlen, tätig zu werden? Diese Frage stellt sich, nachdem das Oberlandesgericht Karlsruhe es vor wenigen Tagen ablehnte, den Neofaschisten Thomas Baumann wegen der Vorbereitung von Sprengstoffattentaten zu belangen. Freiburger Antifaschisten waren dem leitenden Mitglied der NPD-Jugendorganisation auf die Schliche gekommen, woraufhin die Polizei bei ihm Ende 2009 in großen Mengen Chemikalien, Zündschnüre, Bauteile für Fernzünder, Stahlrohre mit Schlusskappen und Handbücher zur Herstellung von Rohrbomben fand. Per E-Mail tauschte sich der Neofaschist mit dem örtlichen NPD-Chef aus: "Ich hätte gerne, wenn möglich, die Namen und Adressen von wichtigen politischen Gegnern. ... Wir haben uns jetzt langsam strukturiert und gehen zum Gegenschlag über." Zu diesem Zweck spionierte er nachweislich auch ein linkes Freiburger Zentrum aus.

All das reichte dem Landgericht Freiburg – und nach einer Revision auch dem Oberlandesgericht Karlsruhe – nicht zu einer Verurteilung. Man habe keinen Beweis dafür, dass Baumann den "todbringenden Einsatz des noch herzustellenden Sprengstoffs überhaupt in Erwägung gezogen hätte". Der Fund gefährlicher Messer und eines Sturmgewehrs mit Munition blieb für die Richter ohnehin Nebensache ("Kölner Stadtanzeiger", 20.12.2011). Während im Fall des linken Berliner Soziologen Dr. Andrej Holm im Jahr 2007 schon die Verwendung von Wörtern wie "implodieren" oder "drakonisch" in Internetartikeln dem BKA für Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausreichten, werden bei den Faschisten beide Augen zugedrückt.

Nahezu täglich werden neue Informationen über Geldflüsse, Vorwarnungen vor Razzien, Abbruch von Verhaftungsaktionen und vielfältige Formen der engen Zusammenarbeit zwischen faschistischen Terrorbanden und dem Inlandsgeheimdienst namens "Verfassungsschutz" bekannt. Aber es sind auch Polizeidienststellen, Staatsanwaltschaften und eben auch Gerichte, die mit dem faschistischen Terrornetzwerk aufs engste verbunden sind, es direkt oder indirekt fördern.

Wichtige Fragen tauchen in einzelnen Zeitungen mit durchaus ernstzunehmenden Hinweisen auf, um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden: Haben sich die beiden faschistischen Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tatsächlich selber umgebracht oder wurden sie aus dem Weg geräumt? Hat ihre Kumpanin Beate Zschäpe als V-Frau des Verfassungsschutzes gearbeitet – oder warum flüchtete sie zur Polizei und schweigt angeblich seitdem? Was sind die Motive für die Ermordung der jungen Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn, die aus der selben Gegend wie das Mördertrio stammte und diese womöglich hätte auffliegen lassen können?

Es ist richtig und wichtig, das Verbot der NPD als der größten neofaschistischen legalen Organisation durchzusetzen. Damit können finanzielle Zuwendungen über Parlamentskanäle, Begründungen für die Überlassung von Räumen oder die Genehmigungen von Demonstrationen eingeschränkt werden. Die Debatte aber auf ein NPD-Verbot zu beschränken, ist pure Augenwischerei. Seit langem agiert ein eng mit der NPD verknüpftes Netzwerk mordlustiger Faschisten im Untergrund. Sie verbreiten über Musikbands und Internetpropaganda ihre menschenverachtende, immer deutlicher gegen linke und revolutionäre Kräfte gerichtete Hetze.

Es muss also um das Verbot aller faschistischer Organisationen und ihrer Propaganda gehen. Der Verfassungsschutz, der so tief im braunen Netzwerk verstrickt ist, muss aufgelöst werden. Für ein solches Vorgehen würde es genügen, die immer noch gültigen antifaschistischen Gesetze der Nachkriegszeit konsequent anzuwenden, wie sie im Potsdamer Abkommen festgelegt wurden. Durchgesetzt werden kann das nur im entschlossenen antifaschistischen Widerstand.