Politik

Empörender Fernsehauftritt des Bundespräsidenten

05.01.12 - ARD und ZDF verwöhnen ihre Zuschauer ja selten mit kulturellen Highlights. Aber das Schauspiel, das gestern Abend über die Mattscheiben flimmerte, war an Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten. Der noch amtierende deutsche Bundespräsident drehte und wand sich unter den Interviewfragen über seinen Privatkredit, immer neue peinliche Enthüllungen und seinen Drohanruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Er versuchte sogar noch, Mitleid zu erheischen und sich in der Opferrolle zu suhlen. "Wenn man als Bundespräsident nicht mehr bei Freunden im Gästezimmer wohnen und mit den Freunden zusammen kochen darf, dann verändert sich die Republik, dann wird es kalt in Deutschland!" rechtfertigte er seine nicht selbst zu zahlenden Urlaube bei hochkarätigen Industriellenfreunden.

"rf-news“ sprach heute in der Straßenbahn, auf dem Markt und im Büro mit einigen Menschen, die den Fernsehauftritt angeschaut hatten. „Dieser Mann sagt ja noch nicht einmal „Ich“, wenn er über sich und seine peinlichen Fehltritte spricht“ empörte sich eine Gemüseverkäuferin. „‘Man ist Mensch und man macht Fehler‘. Das ist doch lächerlich. Er gibt doch nur zu, was sowieso rauskommt. Er soll konsequent sein und zurücktreten.“Ich bin sehr sauer. Solche Leute finden, wir Griechen seien faul und sollen sparen, dabei sind es doch offenbar sie selbst, die über ihre Verhältnisse leben. Und das, obwohl sie wahrhaftig genug haben. Und lügen dann auch noch wie gedruckt“ – so die griechische Putzfrau im Büro. Ein in der Erwachsenenbildung tätiger Kollege berichtet, dass er mit wachsender Fassungslosigkeit seit Mitte Dezember den Wulffschen Eiertanz beobachte.

Offenbar hat Christian Wulff gestern Abend erneut gelogen. Er behauptete im Fernsehinterview, in  seiner Mailboxnachricht aus Kuwait an den Bild-Zeitungschefredakteur nur eine Verschiebung der Veröffentlichung um einen Tag verlangt zu haben. Die Bild-Zeitung dementierte diese Aussage.  Am Tag vor seinem Drohanruf bei Kai Diekmann hatte Wulff in Katar beim "4. Forum der Allianz der Zivilisationen" noch über Pressefreiheit gefaselt: "Der Wert unabhängiger Medien, die in der Region verankert sind, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden."

Wulffs Kriegserklärung an seine einstmalige Hauspostille „Bild“ war wohl nicht sein erster und nicht sein letzter Versuch, mittels Drohungen unliebsame Veröffentlichungen zu verhindern. Auch eine Etage höher, bei Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, und der Hauptaktionärin Friede Springer, versuchte Wulff sein Glück, den Artikel über seinen Kredit zu stoppen. Auch die „Welt am Sonntag“ berichtete, Wulff habe einen ihrer Journalisten schon einmal unter Druck gesetzt.

Christian Wulff hatte wohl nicht damit gerechnet, dass die Springer-Presse, ihm einstmals beinah brüderlich verbunden, seiner Drohung trotzen würde. Tatsächlich ist ihre Doppelmoral auch nicht besser als die von Wulff. Offenbar handelt es sich auch um eine Kampagne, den allzu "soft" gewordenen Wulff zu attackieren. Mit ihm, so der stellvertretende Bild-Chef, könne man keine harten Einschnitte gegenüber der Bevölkerung durchsetzen.

Auf die Frage nach seiner Salamitaktik antwortete Wulff im Interview allen Ernstes: „Wenn Sie scheibchenweise 400 Fragen bekommen, dann können Sie irgendwann nur noch scheibchenweise antworten!“ Ein interessantes „Scheibchen“ kam Anfang Januar ans Licht: die "Baden Württembergische Bank" (BW-Bank), 2005 von der Landesbank Baden Württemberg (LBBW) geschluckt, hatte Wulff im März 2010 zunächst  500.000 Euro geliehen, um sein Privatdarlehen gegenüber dem Unternehmerehepaar Geerkens abzulösen. Das sogenannte rollierende Geldmarktdarlehen der Bank zur Finanzierung des Einfamilienhauses von Wulff war variabel zwischen 0,9 und 2,1 Prozent verzinst. Zu diesem Zinssatz leihen sich sonst nur die Banken untereinander Geld.

Am 15. Dezember 2011 hatte Wulff gegenüber der Öffentlichkeit noch reuig erklärt: "Inzwischen habe ich das Geldmarktdarlehen in ein langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben." Wie aus einer Erklärung der BW-Bank hervorgeht, war allerdings zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts unterschrieben. Vielmehr ist Wulff  am 12. Dezember ein neuer Darlehensvertrag zugesandt worden. Dieser sei am 27. Dezember unterschrieben zurück in der Zentrale angekommen. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 15 Jahren bei einem Effektivzinssatz von 3,62 Prozent. Gültig ist er erst ab dem 16. Januar 2012.

Hat sich die BW-Bank damit bei Wulff für dessen Hilfe gegenüber dem Porsche-Konzern bedankt? 2009 wurde Porsche durch den Einstieg des VW-Konzerns vor der Pleite gerettet, Wulff saß in den entscheidenden Wochen der Verhandlungen im Präsidium des VW-Aufsichtsrats. Die BW-Bank und die LBBW sind die Partnerbanken von Porsche. Bei einer Insolvenz hätten ihnen hohe Verluste gedroht.

Frau Merkels schwarz-gelbe Koalition kommt aus dem Schwitzen gar nicht mehr heraus. Soll sie an einem Bundespräsidenten festhalten, der sich vermutlich der Vorteilsnahme, des Amtsmissbrauchs, der Vortäuschung falscher Tatsachen, der versuchten Nötigung und weiterer Vergehen schuldig gemacht hat? Oder innerhalb kurzer Zeit den zweiten Rücktritt eines Bundespräsidenten in Kauf nehmen?

Völlig zurecht sind die Massen empört und fordern, Wulff solle seinen Hut nehmen. Der falsche Schluss wäre, sich wegen dem erschütterten Vertrauen in die bürgerlichen Politiker von der Politik abzuwenden. Wir brauchen neue Politiker, die ihre Sache selbst in die Hand nehmen, bei denen Wort und Tat zusammenpassen und die nur den Interessen der einfachen Menschen verpflichtet sind.