International
Nach Massaker gegen Ölarbeiter in Kasachstan gehen Proteste weiter
03.01.12 - Am 16. Dezember richteten Polizei- und Militäreinheiten in Shanaosen (Provinz Mangistau, Kasachstan) ein Massaker unter streikenden Ölarbeitern an. Für die Feierlichkeiten zum 20. Unabhängigkeitstag wollte die Regierung den zentralen Platz der Stadt räumen lassen. Nach inoffiziellen Angaben kamen dabei Dutzende Arbeiter, aber auch Frauen und Kinder aus der Stadt, ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Als Reaktion auf diese Übergriffe setzten die Arbeiter unter anderem das Haus der Gebietsverwaltung in Brand und besetzten eine nahgelegene Eisenbahnlinie. Die Regierung verhängte den Ausnahmezustand über die Region, das Handynetz sowie soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook wurden abgeschaltet.
Die Regierung gibt inzwischen den Tod von 14 Menschen zu, während Menschenrechtsorganisationen von über 70 Toten berichten sowie von Folter an den Verhafteten. Sie veröffentlichten auch ein Video, das die Polizei dabei zeigt, wie sie gezielt in die Menschenmenge feuerte und mit Schlägen und Tritten gegen die Verwundeten vorging.
Bereits seit Mai 2011 streiken die Arbeiter der Erdölkonzerne Karasanmunajgas und Osenmunajgas für höhere Löhne und eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Sie fordern außerdem die Freilassung ihres Gewerkschaftsführers Akshanat Aminov, der unter Hausarrest steht, sowie der Rechstanwältin der Gewerkschaft Natalja Sokolowa. Sie wurde im Sommer wegen angeblicher "Anstiftung zu sozialen Unruhen" zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Pawel Schumkin, der führend in der kasachischen Bergarbeiterbewegung tätig ist und 2008 auch mit einer Delegation am Internationalen Bergarbeiterseminar in Gelsenkirchen teilgenommen hatte, berichtet uns:
"Es muss davon ausgegangen werden, dass die offiziellen Angaben über die Opfer nicht zutreffen, und tatsächlich Dutzende Tote zu beklagen sind. Direkt nach den Ereignissen kam es in der gesamten Region in West-Kasachstan zu Protesten und Solidaritätsaktionen mit den Ölarbeitern und der Bevölkerung von Shanaosen. Auch in der Hauptstadt Almaty informierten politische Gruppen die Menschen mit Flugblättern. Eine landesweite Protestbewegung zusammen mit den Bergleuten wird aber von der großen staatlichen Bergarbeitergewerkschaft verhindert, deren Führung hinter Präsident Nasarbajew steht.
Die Regierung setzt außerdem auf die Karte, die verschiedenen Nationalitäten gegeneinander auszuspielen. Die Ölarbeiter, die einer bestimmten kasachischen Volksgruppe angehören, werden als 'Banditen' beschimpft, welche selbst die Unruhen provoziert hätten. Die Menschen bei uns in Karaganda (Ost-Kasachstan) lassen sich hiervon nur wenig beeindrucken, sie fühlen sich solidarisch mit den Ölarbeitern in Shanaosen. Aber es gibt auch Angst vor dieser brutalen, offenen Gewalt, welche die Regierung hier an den Tag legt."
Auch die Ölarbeiter selber kämpfen solidarisch weiter: Die Konzernführung von Osenmunajgas beklagt sich darüber, dass von den 1.000 entlassenen Arbeitern nur sieben das Angebot zur Wiederaufnahme der Arbeit angenommen haben. In der Provinzhauptstadt Aktau forderten am 22. Dezember über 500 Arbeiter den Abzug des Militärs aus Shanaosen. Sie sammelten Unterschriften für die Forderung nach Weiterbeschäftigung auf den bisherigen Arbeitsplätzen. Auch in der nordkasachischen Stadt Oral gab es eine Protestkundgebung gegen das Massaker.
Weltweit gab es eine Protestwelle vor kasachischen Botschaften und Konsulaten unter anderem in Russland, in der Ukraine, in Deutschland, Schweden, Belgien, Irland und Österreich, sogar in Hongkong und Israel.