International
Landesweiter Generalstreik in Nigeria
14.01.12 - Am Montag, den 9. Januar, demonstrierten mehrere zehntausende Menschen mit einem kämpferischen Marsch durch die Straßen der Hauptstadt Lagos gegen die Aufhebung der Benzinpreissubventionen durch die nigerianische Regierung. Diese Maßnahme ließ den Benzinpreis von 65 Naira auf 140 bis 200 Naira explodieren. Mit der Verdoppelung bis Verdreifachung der Spritpreise sind auch die Preise für Lebensmittel und tägliche Konsumgüter sprunghaft angehoben worden. Das hat die Empörung der breiten Massen auf einen Siedepunkt getrieben und wurde zum Auslöser des Generalstreiks am 9. Januar und der nun seit fünf Tagen anhaltenden Streiks, Demonstrationen und Proteste.
Es gärt bereits seit Jahresbeginn. In mehreren Großstädten hatten Jugendliche nach dem Vorbild der demokratischen Aufstände in Tunesien und Ägypten Plätze besetzt. Sie wurden brutal von Polizei vertrieben. Das steigerte die Wut der Massen und fand seinen Ausdruck beim Generalstreik am 9. Januar. In etlichen Stadtteilen wurden Barrikaden mit Signalfeuern errichtet. In vielen Städten fanden in den vergangenen Tagen Demonstrationen von Hunderttausenden statt und bei Zusammenstößen mit der Polizei gab es mehrere Tote. Fast alle Geschäfte wurden geschlossen und ein Großteil der Fabriken und Banken wird bestreikt.
Nachdem die Gewerkschaften gedroht hatten, auch die Ölförderung bzw. den Export des Öls lahm zu legen, kam es zu ersten Verhandlungen mit der Regierung über die Rücknahme der Streichung aller Subventionen für Treibstoff. Ab heute soll der Generalstreik ausgesetzt werden und die von der Wucht und Geschlossenheit der Massen überraschte Regierung versucht jetzt auf Zeit zu spielen.
Der landesweite Generalstreik in dem mit 140 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Land auf dem afrikanischen Kontinent ist von großer Bedeutung für die Klassenkämpfe im Land und in Afrika. Es ist ein Schritt zur Überwindung von jahrzehntelang betriebenen Spaltungen zwischen den ethnischen Gruppen und Religionsgemeinschaften. Nigeria ist der siebtgrößte Ölproduzent der OPEC-Länder. Eine dünne korrupte Oberschicht wird als juristischer Besitzer der Industrie ausgegeben, in Wahrheit wird sie von Konzernen wie Shell und Exxon beherrscht. In deren Interesse wurde das Land völlig einseitig auf die Ausfuhr von Rohöl ausgerichtet auf Kosten der Landwirtschaft und der übrigen Industrie. Nigeria muss heute Lebensmittel importieren.
Die rücksichtslose Ausbeutung der Ölvorkommen im Nigerdelta hat riesige Gebiete des einstigen Naturidylle verseucht. Einer der größten Mangrovenwälder der Erde ist bereits unwiederbringlich vernichtet. Eine Million Menschen sind von der Verseuchung des Trinkwassers bedroht. Tausende von Ölarbeitern wurden in den letzten Jahren durch Explosionen der völlig unzureichend gesicherten Pipelines getötet.
Die Organe des internationalen Finanzkapitals drängen nun darauf, dass Nigeria die bisher staatliche Industrie privatisiert und aus Mitteln des Staatshaushalts die Rahmenbedingungen (Verkehrswege, Flughäfen usw.) für die unmittelbare Ausplünderung des Landes durch die internationalen Monopole ausbaut. Der Kampf der Massen in Nigeria richtet sich deshalb sowohl gegen die korrupte Regierung als auch gegen das internationale Finanzkapital.
Im aktuellen Interview von Stefan Engel in der "Roten Fahne" wird die gegenwärtige Situation so gekennzeichnet: "Die beiden Tendenzen, auf der einen Seite das kämpferische Streben der breiten Massen nach Demokratie und Freiheit, aber auch der verstärkten reaktionären Gewalt der imperialistischen Machthaber und ihrer Statthalter, sind der Boden, auf dem es zu einer Revolutionierung der breiten Massen kommen wird."
(Siehe auch die aktuelle "Rote Fahne" 2/2012 mit dem Titelthema "Kongo - Massenproteste gegen Wahlbetrug für Freiheit und Demokratie")